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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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abgestorbenen Zähnen. Die drei Beißer, die noch nicht abgestorben sind, sind unter dem Berg an Belag kaum wahrzunehmen. Nicht mal auf dem Röntgenbild. Der ORF -Zahnarzt hat mir angedroht, eine Aufnahme meiner Zähne im Funkhaus-Foyer mit Namensnennung aufzuhängen, wenn ich meine Zahnputzkultur nicht radikal ändere. Okay, spül ich halt einmal im Jahr mit Mineralwasser.
    Liebes Tagebuch, das war wirklich verblüffend. Als Sebastian Schlachter behandelt wurde, rief der liebe Onkel Doktor uns andere ins Behandlungszimmer, um uns das anzuschauen. Erstaunlich, was Kollege Schlachter so alles zwischen seinen Zähnen stecken hatte: eine halbe Kartoffel, den Kopf einer Forelle, zwei Knochen einer Schweinshaxe, drei Lakritzen, eine ungeöffnete McDonald's-Cocktailsauce und ein Zweieurostück. Damit hat der gute Herr Schlachter den Vogel abgeschossen. Marketingchef Gregor Almassy führte bis jetzt mit dem ganzen Grillkotelett, der Ritter Sport Marzipan, der Maus und dem Senffässchen zwischen den Zähnen. Wir klatschten alle und ließen Sebastian hochleben.
    5.3.
    Liebes Tagebuch, zur alljährlichen ORF -Gesundenuntersuchung ist niemand von FM4 erschienen, weil niemand wirklich gesund ist. Da hätten die Jungs von der Gesundenuntersuchung früher anfangen müssen, nämlich bevor wir bei FM4 angefangen haben. FM4 macht krank, und Kranke machen FM4 . Allein die Hunderte von Biss- und Kratzspuren hysterischer Kolleginnen, offene, eitrige Wunden, davongetragen nach heftigen Diskussionen über Inhalte und Moderationsstil. Die Ohrfeigengewitter von Chefcontroller Blumenau und die daraus resultierenden Trommelfellrisse sowie das alte FM4- Programm »Alkohol statt Vitamin C« tun da ihr Übriges. Jedes weiße Blatt Papier wirkt gegen jeden FM4- Mitarbeiter wie eine Tafel dunkle Vollnuss. Dazu die völlig verkümmerte Muskulatur durch zuviel Sitzen, schlechtes Sehvermögen, vielmehr so etwas wie gute Blindheit durchs ständige Starren auf den PC  – hoppla, das sind wir, die Krüppelbrigade vom Jugendradio.
    Liebes Tagebuch, ich habe beobachtet, wie Hal Rock versucht hat, eine Minidisc vom Boden aufzuheben. Es dauerte eine Viertelstunde, bis er sich vor der am Boden liegenden Minidisc richtig plaziert hatte, um sie aufheben zu können. Mit aller Kraft bemühte er sich, die Adern traten aus seinem Hals, aber er schaffte es nicht. Rund um seinen Schreibtisch liegen Hunderte herabgefallener Minidiscs. Obwohl der gute Herr Rock laufen könnte, wird er von minderjährigen Praktikanten mit seinem Schreibtischstuhl in der Redaktion herumgefahren. Früher schoben ihn angestellte Kollegen, aber die können inzwischen auch nicht mehr von ihren Stühlen aufstehen. Muskelschwund hat einen Namen: FM4 .
    8.3.
    Liebes Tagebuch, seit zehn Jahren, also seit Bestehen unseres Senders, verdiene ich jedes Jahr weniger. So dass ich jetzt, die Inflationsrate eingerechnet, heute im Monat das verdiene, was ich früher in der Woche bekam. Na ja, wenn's mir nur ums Geld ginge, wäre ich längst bei Radio Orange oder Radio Zwiebelzwerg. Außerdem argumentiert der ORF mir und den anderen Moderatoren gegenüber ständig mit der sogenannten Umwegrentabilität, will heißen: durchs Moderieren wird man bekannter und hat so Nebenjobs. Das ist natürlich wahr. Ich habe zum Beispiel gestern eine Pudelshow moderiert – aber leider nicht eine gutbezahlte Pudelshow, sondern eine Pudelshow für Punks. In ganz Österreich gibt's aber nur zwei Punks, die einen Pudel besitzen. Es war jämmerlich, und ich hab auch nichts verdient, weil ich mich blöderweise darauf eingelassen habe, mit den Veranstaltern 70/30 zu vereinbaren. 30% der Einnahmen hab ich bekommen. Bei keinem einzigen Besucher war's zumindest leicht, meine Gage zu berechnen.
    Liebes Tagebuch, Stuart Freeman ist ja weit über 70 und schon so lange beim Sender, dass er gar kein Gehalt mehr bekommt. Umso wichtiger ist natürlich in seinem Fall die berühmte Umwegrentabilität. Er hatte einen prima Job: in einem Purkersdorfer Altenheim moderierte er jeden Sonntag einen Frisurenwettbewerb, das war Klasse, weil's schnell ging, haben die meisten dort doch keine Haare mehr. Aber jetzt wurde Stuart Freeman durch einen Jüngeren ersetzt, nämlich Duncan Larkin. Na ja, Kollege Freeman hat wohl seinen Zenit eindeutig überschritten, er war bei der Frisurenshow immer eindeutig der Älteste im Raum. Armer Stuart, liebes Tagebuch. Jetzt hat er nur noch einmal im Jahr den Job beim Wettsaufen der Exilschotten in Linz. Und

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