Speichelfaeden in der Buttermilch
anschaut. Vielleicht hat er ja recht.
22.5.
Liebes Tagebuch, im FM4- Tourbus auf der Fahrt nach Oslip habe ich Sterne gesehen. Nicht diese Hamburger Band, sondern richtige, weil ich über den Drogenkoffer gestolpert und mit dem Kopf gegen das Stockbett gefallen bin. Mit dem Fuß bin ich in die Gitarrensaiten gefallen, und weil der Bus in dem Moment eine Kurve gemacht hat, haben sich die Saiten derart blöd um meinen Fuß gewickelt, dass ich am Abend mit der Gitarre am Fuß auftreten musste. Ärgerlich! Dazu der geschwollene Kopf – ich weiß nicht, vielleicht mit ein Grund dafür, dass ich als Einziger im Team kein Groupie hatte.
Liebes Tagebuch, ehrlich, ich bin ein bisschen verwirrt, und das nicht nur, weil ich in Oslip mit jedem einzelnen Gast angestoßen habe und deshalb wahrscheinlich ein paar Hundert kleine Bier intus habe. Aber was unsere musikalischen Gäste betrifft – ich hab ja seit den »Bay City Rollers« keine Musik mehr gehört, deshalb kenn ich mich halt auch nicht so aus –, aber ich dachte, dass eine Sängerin mit uns auftritt, Sophia, ich hab mich extra fein für sie rausgeputzt und wollte ihr im Namen von FM4 einen Strauß Blumen überreichen, Gentleman, der ich bin. Und dann stehen diese beiden Typen im Bus vor mir und stellen sich als »Sophia« vor. Na gut, hab ich ihnen den Platz im Bettchen neben mir wieder weggenommen. Und dann war ich gespannt auf die Kollegen von Ö1 , die »Hörspielcrew«, ich mein, ich hab mich auch gefragt, was die Kulturradiokollegen bei einem FM4- Fest machen werden, vielleicht eine Liveperformance von Borcherts »Draußen vor der Tür« oder so was. Aber als ich die Hörspielcrew sah, war mich gleich klar: Das sind keine Ö1 -Kollegen, das sind deren Enkel. Auf Speed. Und kann mir irgendjemand sagen, wie man diese anderen Jungs ausspricht? »Waxoirgendwieluschenists«, »Wixolotionists«? Ich weiß es nicht und versuche sicherheitshalber, auf der Bühne und im Bus dieses Wort zu vermeiden. Können nicht alle Musiker einfach Pink oder Oli P. heißen?
23.5.
Liebes Tagebuch, eine Unverschämtheit! Gestern in Oslip hatte ich großen Hunger und winkte einen von dieser »beautifulen Kantinenband« zu mir, um was zu bestellen. Aber auf dieser FM4- Tour werden anscheinend nur ungelernte Hilfskräfte engagiert. Der Kantinenmann bot mir an, von seinem Snickers abzubeißen – hat man so was schon erlebt? Der wird's überall sonst sehr schwer haben, auf der Straße warten Tausende von Köchen, Kellnern und Spülern, die seinen Job besser machen können. Egal, diese Kantinenjungs mussten eh schon wieder den Bus verlassen, um diesem merkwürdigen Hundebesitzer Platz zu machen. Olli Schulz und der Hund Marie. Ich hatte einen solchen Kohldampf, dass ich den großen Hundenapf, den Stermann, der Schleimer, vorbereitet hat, ausgeleckt hab. Hm, lecker Pansen. Jetzt stink ich aus dem Maul wie ein Iltis, aber das ist Rock'n'Roll …
Liebes Tagebuch, ich weiß nicht, ob wir jemals Salzburg erreichen. Da bei unserem Tourbus nur der Rückwärtsgang funktioniert, liegt unsere Höchstgeschwindigkeit bei 15 km/h, und wir entfernen uns immer weiter vom Westen Österreichs. Gerade haben wir Györ passiert. Am praktischsten wäre es, wenn die Salzburger nach Ungarn kämen. Und wahrscheinlich auch die einzige Chance, etwas vom Konzert zu sehen und zu hören. Apropos Sehen und Hören. Auf der Windschutzscheibe kleben etwa 5000 Fliegen, und gestern in Oslip haben sich acht Jugendliche auf die arme Windschutzscheibe übergeben. Jetzt rächt es sich, dass wir keine Scheibenwischer haben. Ich streichle inzwischen Olli Schulz und den Hund Marie. Leider wollen sie nicht, dass wir Gassi gehen, und meine Leine verweigern sie auch. Ich hab jetzt übrigens seit 48 Stunden nicht mehr geschlafen, weil ich die ganze Zeit Michel am Steuer wach halten muss. Michel vom FM4- Marketing ist völlig fertig, weil er keine Minute mehr geschlafen hat, seit er diese Höllentour organisiert. Er organisiert seit Anfang März. Das heißt, er ist seit ungefähr 1500 Stunden wach. Ich kneife ihm ununterbrochen in die Genitalien und beiße ihm in die Augen, damit sie nicht zufallen. Wie wir es jemals morgen nach Innsbruck schaffen sollen, ist mir schleierhaft. Ich habe wirklich Angst, dass wir tödlich verunglücken, weil wir ja auch keine Bremsen haben. Be afraid, honey, it's the FM4 tour.
25.5.
Liebes Tagebuch, früher war es bei Radiosendern so: Wer am absteigenden Ast war, wurde auf Tour geschickt. Immer
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