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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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in weit auseinanderliegenden Armen – oder Tentakeln – erledigen musste.
    Das Leben in all seinen Erscheinungsformen konnte ungemein bizarr sein.
    »Nein, der Ort stört mich nicht«, versicherte Martin. »Es ist in Agentenromanen und Krimis ohnehin Tradition, wichtige Gespräche in der Toilette zu führen.«
    »Ich respektiere Traditionen«, erklärte Kadrach. Nach Martins Dafürhalten achtete der Geddar Traditionen nicht bloß, sondern lebte sie, worüber er jedoch kein Wort verlor. »Es hat mich große Mühe gekostet, dich auf der Erde zu finden«, fuhr Kadrach fort. »Als ich dich dann gefunden hatte, wärst du mir beinahe entwischt. Nur gut, dass die Moskauer Station so überlaufen ist.«
    »Ich bin ganz Ohr«, bemerkte Martin.
    »Das war mein Kchannan«, gestand Kadrach. »Der, der das Mädchen ermordet hat.«

Zwei
     
    Geddarn vermochten zu rauchen. Tabak wirkte bei ihnen zwar anders, erwies sich aber dennoch als schwaches Narkotikum. Martin bot Kadrach eine Zigarette an, und die beiden schmauchten ein Weilchen in der Toilette, als seien sie zwei missratene, die Klassenarbeit schwänzende Schüler.
    »Die Kchannan sind präintelligent«, versuchte Kadrach Martin in sein Wissen einzuweihen. »Präintelligente Wesen vergöttern ihre Besitzer. Sie können sie nicht verraten. Sie sterben unbekümmert, denn in ihrem Bewusstsein ist nicht verankert, dass der Tod das Ende der Existenz bedeutet. Aber sie verraten niemals!«
    »Wie Hunde«, meinte Martin nickend.
    »Eure Hunde stehen an der Grenze zur Präintelligenz«, korrigierte ihn Kadrach. »Wir haben sie schon gesehen, wir kennen sie. Mit den Kchannan leben wir seit Dutzenden von Jahrtausenden zusammen in einer Welt. Es hätten durchaus sie sein können, die die Intelligenz erhielten … während wir nur Keime des Verstands hätten zugeteilt bekommen können.«
    »Warum hat dein Kchannan die junge Frau ermordet?«
    »Jemand muss sein neuer Gott geworden sein.« Auf Kadrachs Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab. Hinsichtlich der Gefühle, die dieses Lächeln motivierten, gab sich Martin jedoch keinen Illusionen hin. »Jemand hat ihn gezwungen, entgegen meinem Willen zu handeln.«
    Jetzt war es an Martin, schief zu lächeln. Ein abtrünniges Tier, das die Gebote seines persönlichen Gottes verletzte …
    »Ich weiß nicht, wer dergleichen fertig brächte«, sagte Kadrach.
    »Doch, das weißt du«, widersprach Martin.
    Schmerz durchzuckte Kadrachs Gesicht.
    »Ja. Verzeih, ich habe gelogen. Ich weiß, wer dazu in der Lage wäre. Aber die Schließer haben nicht auf meine Fragen geantwortet.«
    »Sie antworten nie jemandem«, bestätigte Martin. »Aber eine andere Möglichkeit ist undenkbar. Nur sie dürften imstande gewesen sein, deinen Kchannan auf Irina zu hetzen.«
    »Die Ehre verlangt von mir, Rache zu üben«, erklärte Kadrach leise. »Ich habe dem Kchannan versprochen, ihn zu beschützen und für ihn zu sorgen. Mein Versprechen konnte ich nicht einhalten, deshalb muss ich mich jetzt rächen. So wie ich jedoch stärker als eine Blattlaus bin, sind die Schließer stärker als das Volk der Geddarn. Gegen sie habe ich keine Chancen.«
    Martin breitete die Arme aus. Er vertrat schon seit geraumer Zeit die Auffassung, dass die Schließer auf Bibliothek – möglicherweise auch auf Prärie 2 und Arank – ihre Hände im Spiel hatten. Andererseits zwang niemand die Schließer zu einer Antwort. Ihnen jagte man keine Angst ein, sie täuschte man nicht.
    »Was hast du jetzt vor?«, wollte Martin wissen.
    »In der Station bin ich hilflos«, legte Kadrach gelassen dar. »Aber außerhalb der Station sind die Schließer nicht mehr allmächtig. Wenn sie es waren, die beschlossen haben, das Mädchen durch fremde Hände umbringen zu lassen, muss ich gegen sie kämpfen. Sag, Martin, warum ziehst du weiter durchs Universum? Was suchst du noch?«
    Einen Moment dachte Martin nach, ehe er Kadrach von der Versiebenfachung Irina Poluschkinas erzählte.
    »Etwas in der Art habe ich vermutet«, meinte der Geddar.
    »Weshalb?«, hakte Martin nach.
    »Du wirkst nicht wie ein Mensch, dessen Suche beendet ist.«
    »Vielleicht hätte ich ja noch andere Dinge zu erledigen«, erklärte Martin achselzuckend.
    »In meiner Welt habe ich Vermisste gesucht, Verbrecher, die die Gebote des ThaiGeddars missachtet haben, bestraft und die Jugend erzogen«, unterrichtete ihn der Geddar.
    »Du bist Privatdetektiv?«, verwunderte sich Martin.
    »Ich bin Detektiv«, bestätigte der Geddar, wobei er auf

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