Spektrum
erheben und Freunde zu werden. Das war’s. Der Rest ist bloß Geschwätz!«
»Woher sollte ich das denn wissen?«, erkundigte sich Martin mit schiefem Lächeln. »So häufig schließen Geddarn nicht mit Menschen Freundschaft. Und alles, was ich weiß, ist, dass in eurer Gesellschaft großer Wert auf Symbole und Eide gelegt wird.«
»Längst nicht in dem Maße, wie es von außen scheint«, widersprach der Geddar. »Wollen wir uns noch etwas erholen, bevor wir uns auf den Weg machen, oder brechen wir gleich auf?«
»Gleich«, entschied Martin. »Schließlich müssen wir zu den Dio-Daos. Es besteht die Chance, einen Freund von mir noch lebend anzutreffen.«
»Zu den Dio-Daos?« Der Geddar wirkte schockiert. »Nicht gerade die angenehmste Rasse im Universum. Aber wenn es sein muss …«
»Ich habe die Dio-Daos doch schon erwähnt, als du den Warteraum betreten hast«, rief ihm Martin in Erinnerung.
»Du hast in deiner Sprache gesprochen. Die verstehe ich nicht.« Entschuldigend zuckte der Geddar mit den Schultern.
Als Erster trat Martin zur Tür der Station hinaus. Der Geddar folgte ihm, als füge er sich ohne jeden Einwand in die untergeordnete Rolle.
Auf dem Planeten Marge empfing sie Winter.
Wer rasch durch das Universum reiste, vergaß leicht den Wechsel der Jahreszeiten. Einige der irdischen Kolonien, in die es Martin bereits verschlagen hatte, waren auf Welten mit warmem, ja, sogar heißem Klima gegründet worden. Auf der Erde verbrachte Martin den Winter gern ebenfalls in wärmeren Gefilden, auf Jalta, in Südfrankreich oder in Marokko, um nur für zwei Wochen um den Jahreswechsel, für die Zeit zwischen dem katholischen und dem orthodoxen Weihnachten, ins bitterkalte Moskau zurückzukehren, denn wie jeder russische Intelligenzler beging er mit großem Vergnügen sowohl die weltlichen als auch die religiösen Feiertage.
Dieser bequeme und komfortable Lebensrhythmus wies freilich auch Nachteile auf.
»Hast du gewusst, dass es hier so kalt ist, dass sogar das Wasser gefriert?«, fragte der Geddar.
»Ich habe es vergessen«, gestand Martin. »Ich bin zwar schon zweimal hier gewesen, allerdings beide Male im Sommer …«
Kadrach sagte kein Wort, sondern hüllte sich lediglich fester in sein orangefarbenes Hemd. Mit dem gleichen Recht hätte man das Kleidungsstück auch als mehrschichtige Jacke bezeichnen können, und Martin hätte nicht zu sagen vermocht, was stärker wärmte, seine Kleidung oder die des Geddars.
»Wir werden ein Bekleidungsgeschäft finden«, beruhigte Martin den neu gewonnenen Freund.
»Der Glaube wärmt besser als jeder Stoff«, erwiderte der Geddar. »Ist das hier die Welt der Dio-Daos?«
Martin nickte.
Die Station auf Marge stand in der architektonischen Tradition der Dio-Daos: auf Rundbauten ruhende Kuppeln, die mit Galerien verbunden waren. Das Gelände umrundete eine hohe Mauer aus schwarzem Stein, die nur an zwei Stellen für den Ein– und Ausgang durchbrochen war. Der tief hängende schmutzig grüne Himmel, an dem sich graue Schneewolken ballten, schien die Station förmlich von oben zu zerquetschen. Die Mauer versperrte jede Sicht auf die Stadt, denn bei den Dio-Daos erfreuten sich Hochhäuser keiner Beliebtheit.
»Folge mir«, instruierte Martin den Geddar knapp. »Achte darauf, was ich mache, und tu das Gleiche.«
»Wenn ich damit die Ehre ThaiGeddars beflecken würde, werde ich deine Handlungen nicht nachahmen«, warnte Kadrach ihn.
»Den Dio-Daos sind ThaiGeddar, Christus und Mohammed gleichgültig«, beschwichtigte ihn Martin. »In religiöser Hinsicht sind sie tolerant und korrekt. Nein, es geht um etwas anderes: Sie sind Bürokraten.«
Kadrach nickte. »Ich weiß«.
»O nein, das weißt du noch nicht.« Martin grinste. »Das muss man am eigenen Leib erfahren haben … Gehen wir.«
Die Kuppelbauten der Zoll– und Grenzkontrolle waren weit größer als die Station der Schließer. Natürlich konnten die Dio-Daos sich nicht der einzigen Forderung der Schließer widersetzen, nämlich allen, die das wünschten, freien Zugang zum Großen Tor zu gewähren. Doch sie hatten ihre eigenen Regeln, deren strenge Einhaltung sie verlangten.
»Gehört das etwa alles zu den Grenzstellen?«, wunderte sich der Geddar ein wenig, als sie auf die Kuppelbauten außerhalb der Station zusteuerten. Der frische Schnee knirschte unter ihren Füßen, kein Lebewesen war in ihrer Nähe auszumachen, doch an der bereiften Grenzsäule blinkte aufmerksam die Kamera der Videoüberwachung.
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