Spektrum
wusste er, dass es sich bei den Dio-Daos um Hermaphroditen handelte.
Sie mussten weder das Hotel noch das Heim für die Armen in Anspruch nehmen, hatten sie sämtliche Formalitäten doch rasch erledigt.
Im letzten Kuppelbau residierte das Handelszentrum. Martin verkaufte den Teil ihrer Vorräte, der die Dio-Daos interessierte, vor allem die prächtigen bunten Postkarten mit Ansichten von Erdorten und Paprikapulver. Selbst die Außerirdischen verlangte es nach seltenen Gewürzen. Kadrach bot einen Teil jener Nüsse feil, die seinen »Reiseproviant« darstellten. Soweit Martin wusste, goutierte man die nur in der Heimat der Geddarn wachsenden Nüsse in der gesamten Galaxis. Sie schmeckten zwar nicht unbedingt außergewöhnlich, ließen sich aber nahezu unbegrenzt aufbewahren und hatten einen enorm hohen Nährwert. Hinzu kam, dass jede Eiweißrasse sie vertrug. Übertreffen konnte das nur noch synthetische Nahrung – wobei das Künstliche letztlich das Natürliche niemals auszustechen vermag.
Mit dem Geld der Dio-Daos in der Tasche verließen die beiden Gefährten den Grenzbereich. Kadrach hatte sich doch noch eine kurze Felljacke gekauft, nachdem er klugerweise entschieden hatte, nicht allein auf die Kraft des Geistes zu vertrauen. Martin ging dagegen davon aus, seine Kleidung genüge vollauf. Allerdings trug er jetzt noch einen Pullover unter der Jacke.
»Großartige Architektur«, kommentierte Kadrach, während er sich umsah.
Martin teilte seine Ironie. Obwohl es bereits dunkelte und Schnee durch die Straßen fegte, konnte man das grundlegende weltanschauliche Konzept der Stadt ohne weiteres erfassen. Die Kuppeln thronten auf flacheren Rundbauten, welche zuweilen durch Gänge miteinander verbunden waren, zuweilen auch isoliert standen. Das höchste Gebäude reichte nicht über ein dreistöckiges Haus hinaus. Die schmalen Gassen waren mit sechskantigen Steinplatten gepflastert. Jedes Haus verfügte über eine kleine Laterne, das war die ganze Straßenbeleuchtung.
»Minimalistisch«, urteilte Martin. »Ich glaube, das hängt auch mit ihrer kurzen Lebenserwartung zusammen.«
»Ich weiß einiges über die Besonderheiten der Dio-Daos«, erklärte Kadrach sachlich. »Halte mich nicht für einen Ignoranten, Freund. Dennoch verblüfft mich, wie sie es fertig bringen, zu existieren und ihre Zivilisation zu entwickeln.«
»Du wirst schon noch sehen, wie sie das machen«, beruhigte ihn Martin. »Wir müssen eine Schlafgelegenheit für die Nacht finden, Kadrach.«
»Gehen wir in ein Hotel?«
»Das ist sehr teuer«, gestand Martin. »Da wäre ja das Hotel vom Zoll noch billiger gewesen. Aber ich kenne einen Dio-Dao. Falls er noch lebt …«
»Gehen wir«, lenkte Kadrach sofort ein. »Fackeln wir nicht lange, schließlich kann er jede Minute sterben. Oder etwa nicht?«
»Richtig«, bestätigte Martin. »Also los.«
Drei
Sie erreichten einen kleinen, bescheidenen Kuppelbau, die typische Wohnstätte eines allein stehenden Individuums der Dio-Daos. Die kurzlebige Rasse engte sich nicht gern mit Zuneigungen ein, nur wenige gründeten überhaupt eine Familie.
»Es müsste hier sein«, sagte Martin, während er das komplizierte geometrische Ornament an der Tür studierte. »Sie kennen weder Straßennamen noch Hausnummern, aber …«
»Eine so reglementierte Gesellschaft und keine Hausnummern?«, wunderte sich der Geddar.
»Vielleicht gerade deshalb?«, antwortete Martin mit einer Frage. »Ja, ich glaube, hier ist es.«
Er legte einen hölzernen Hebel um, der aus der Mauer herausragte. Im Innern des Hauses ertönte ein Gong.
»Selbst wenn dein Freund gestorben ist, sollte sein Sohn dich erkennen.«
»Das wäre etwas völlig anderes«, meinte Martin kopfschüttelnd. »Viel besser wäre es, wenn er noch nicht geboren wäre. Dann werde ich zum Freund der Sippe. Zu jemandem, der mehrere Generationen kennt.«
Sie warteten lange, bestimmt drei, vier Minuten. Einige in Felljacken gehüllte Dio-Daos gingen an ihnen vorbei. Mit unverhohlener Neugier glotzten sie die Fremdlinge an, stellten jedoch keine Fragen.
»Mir wird kalt«, meinte Martin, auf der Stellte hüpfend. »Komm schon, wo steckst du denn …«
Die Tür öffnete sich.
Der Dio-Dao, der vor ihnen stand, war alt. Selbst zuhause trug er einen langen Fellüberwurf, so schien er zu frieren. Gleichwohl vermochte selbst der Umhang den riesigen Bauch nicht zu verbergen, der auf einem flachen Wägelchen ruhte, das der Dio-Dao vor sich herschob.
»Ich freue mich,
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