Spektrum
ihre Welten zu versperren.«
»Weshalb dann?«
»Um herauszubekommen, was sie von wem zu erwarten haben«, legte Martin lächelnd dar. »Du kannst erklären, sie zu hassen, doch wenn sich dein Hass nicht in deinen Handlungen niederschlägt, haben die Dio-Daos nichts dagegen einzuwenden. Sie erlegen Touristen nicht einmal besondere Einschränkungen auf. Sie wollen lediglich alles über dich wissen.«
Die nächste Stunde verging, ohne dass sie ein Wort sagten. In dem Fragebogen brauchte man nicht viel zu schreiben, zumeist genügte es, die entsprechende Antwort anzukreuzen. Hin und wieder begriff Kadrach etwas nicht und fragte Martin: »Und wenn ich die Länge meines Darms nicht kenne?« Oder: »Ich habe keine Ahnung, wie viele Sexualpartner meine Mutter hatte. Was soll ich da antworten?«
Im ersten Fall empfahl Martin ihm, die Länge mit »unter 100 Meter«, im zweiten die Zahl mit »nicht weniger als einen« anzugeben.
Nach zwei Stunden bat Martin den Dio-Dao höflich um Wasser. Man brachte ihnen ein Tablett mit einer Kanne frischen Wassers, zwei kegelförmigen Plastikbechern und einem kleinen Teller mit dunkelgrauen Stangen.
»Eine feine Sache«, versicherte Martin, indem er sich die erste Portion dieser Stangen in den Mund schob. »Das sättigt nicht nur, sondern stimuliert auch ein wenig.«
»Du hast nicht darum gebeten«, gab der Geddar misstrauisch zu bedenken.
»Einem Gast, der um etwas zu trinken bittet, nicht auch etwas zu essen anzubieten, hieße, ihn nicht zu respektieren.«
Der Geddar schnaubte.
»Das Absurdeste ist, dass sie uns wirklich schätzen«, fuhr Martin fort. »So gut sie es können. Ich empfehle dir übrigens, auf diesem Planeten nur im Notfall Fleisch zu essen, und auch dann nur, wenn es gut gekocht oder gebraten ist. Es gibt hier zu viele biologisch aktive Stoffe.«
Nach einer weiteren Stunden hatten sie die Fragebögen ausgefüllt. Kadrach stand Martin kaum nach und musste nur zwei Verbesserungen in seinem Fragebogen einfügen, gleich zu Beginn, als er an der Frage scheiterte: »Wann gedenken Sie zu sterben?«, und ein zweites Mal, als es hieß: »Könnten Sie ein intelligentes Wesen essen, wenn Ihnen sonst keine Nahrungsquellen zur Verfügung stehen?« Diese Frage beantwortete Kadrach zunächst mit »Nein«, änderte auf Martins Rat hin die Antwort jedoch in »Ich weiß es nicht«.
»Das ist doch der reinste Hohn«, grummelte der Geddar absichtlich laut, während er den ausgefüllten Wälzer in der Hand wog.
»Du solltest dir vergegenwärtigen, dass diese Dio-Daos vor drei Monaten noch nicht auf der Welt waren«, erwiderte Martin, während er in Richtung des unerschütterlichen »Kängurus« nickte. »Und du solltest dir vergegenwärtigen, dass sie in drei Monaten bereits tot sein werden. Wesen mit einer derart kurzen Lebenserwartung müssen sich unweigerlich an extrem reglementierte Verhaltensnormen halten.«
Diese Worte brachten Kadrach anscheinend in Verlegenheit.
Nachdem sie dem Dio-Dao die Fragebögen überreicht hatten, gingen sie den kurzen Gang zum nächsten Kuppelbau hinunter. Hier inspizierten hellwache und penible Zöllner ihre gesamte Ausrüstung. An keinem Stück nahmen sie Anstoß, doch bis zum letzten Päckchen Tee in Martins Rucksack und bis zur kleinsten Nuss in Kadrachs Bündel wurde alles gezählt, schriftlich festgehalten und in die Zollerklärung eingetragen. In die Kopien dieser Erklärungen mussten Martin und Kadrach eintragen, ob es sich um Dinge persönlichen Bedarfs oder Tauschwaren handelte. Ihnen wurde sogar eine gewichtige Bescheinung ausgestellt, die als temporärer Ausweis im Gebiet der Dio-Daos galt. Der Verlust des Dokuments wurde mit einer schweren Strafe und der Deportation zur Station geahndet.
Der dritte Kuppelbau stellte die geringsten Ansprüche. Eine Gruppe von Ärzten brachte in Erfahrung, wie sensibel die beiden auf unterschiedliche Behandlungsmethoden reagierten. Anschließend röntgte man sie und scannte sie mit Ultraschall. Eine Gamma– wie auch eine Endoskopie lehnten Martin und Kadrach ab.
Und die Dio-Daos bestanden nicht darauf.
Fast alle Außerirdischen hatten einen mehr oder weniger soliden Bauch. Bei einigen hatte sich der Beutel bereits geöffnet, aus dem hin und wieder funkelnd die neugierigen kleinen Augen eines Kindes herauslugten. Martin rechnete damit, von Kadrach eine weitere naive Frage zu hören zu bekommen, beispielsweise, warum hier nur weibliche Individuen arbeiteten. Doch Kadrach sagte kein Wort. Vermutlich
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