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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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bedeuten.«
    Diese Worte, obschon leicht naiv und schwülstig, zeigten dennoch Wirkung. Martin sah Irina an, lächelte und nahm sie fester bei der Hand. »Eins verstehe ich nicht …«, sagte er. »Warum hat dein Vater dich gehen lassen? Ich glaube einfach nicht, dass er seine einzige Tochter opfert, um die Welt zu retten. Die Menschen sind keine Aranker.«
    »Die Aranker sind seltsam«, bestätigte Irina. »Aber sie lieben ihre Kinder.«
    »Das schon, aber auf eine höchst eigenwillige Weise«, erwiderte Martin, der an den kleinen Hatti dachte, den sein Vater mit einem Unbekannten in fremde Welten hätte ziehen lassen. »Sie sind mit Fatalismus vollgepumpt … Letzten Endes glaube ich doch, die Aranker haben mit ihrer Seele gewisse Probleme … In welchen Welten befinden sich deine Kopien, Irina?«
    »Hast du Angst, dass ich plötzlich sterbe?«, fragte die Frau.
    »Ja«, gestand Martin. »Außerdem möchte ich die Logik verstehen, die hinter der Wahl dieser sieben Welten steckt.«
    »Talisman und Scheali.«
    Martin dachte nach. Talisman war in der Tat ein seltsamer Planet, den er zwar noch nie besucht hatte, über dessen Rätsel jedoch jede Boulevardzeitung berichtete. Aber Scheali? Die Heimat der flugunfähigen intelligenten Vögel …
    »Warum Scheali?«, wollte er wissen.
    »Dem Bericht war ein Artikel über eine Reihe von Merkwürdigkeiten im Verhalten der Schealier beigefügt.« Irina runzelte die Stirn. »Wenn man mit ihnen in Kontakt tritt, tauchen Probleme auf, sie zeigen ein inadäquates Verhalten … Am Ende hatte mein Vater mit großen Buchstaben angemerkt: VERSTAND??? Mit drei Fragezeichen.«
    »Verstand«, wiederholte Martin. »Alles klar.«
    Respektvoll betrachtete Irina ihn – dies freilich unverdient, denn Martin sah keineswegs klarer als zuvor. Die Schealier waren eine durch und durch gewöhnliche Rasse, allenfalls die Vogel-Herkunft verlieh ihnen eine paar farbenprächtige Tupfer.
    »Freunde!«, unterbrach Pawlik ihr Gespräch. »Wir starten!«
    »Dann mal los«, erwiderte Martin.
    Die zähe Masse des Raumschiffs schlug eine Welle, schloss sich über den Konturensesseln zusammen und ließ nur für den Kopf eine Öffnung. Aus irgendeinem Grund fielen Martin die Tragetaschen für kleine Hunde ein, aus denen nur die struppigen Schnauzen der Chihuahua, Shizu und Yorkshire Terrier herauslugten. Schwermut überkam ihn. Gleichwohl hielten er und Irina sich weiterhin bei der Hand, das konnte das Schiff nicht verhindern.
    In den nächsten Sekunden passierte noch nichts. Dann klaffte die dunkelblaue Substanz über dem Schiff auseinander, und es stieg in den Himmel auf. Gleichmäßig, ohne dass er die Beschleunigung spürte. Martin beugte sich vor und blickte hinunter: Unter dem halbtransparenten Boden des Raumschiffs entfernte sich die Oberfläche Bessars in rasendem Tempo. Die laufenden Triebwerke stießen keine Fackeln aus – womit Martin allerdings auch nicht gerechnet hatte.
    »Nach welchem Prinzip funktioniert das Schiff?«, fragte Martin, der unwillkürlich die Stimme erhob, auch wenn in der Kabine absolute Stille herrschte.
    »Eine Verschiebung der Bewegungsvektoren des Universums in Bezug auf einen lokalen Punkt!«, erwiderte Pawlik aufgeräumt mit ebenfalls erhobener Stimme.
    »Papperlappation«, konterte Martin.
    »Nicht doch, es ist alles ganz einfach!«, widersprach Pawlik. »Wir schalten das Trägheitsmoment des Schiffs aus, sodass es ein absolut unbeweglicher Punkt wird … während die Galaxis sich weiter bewegt. Auf diese Weise bleiben wir an einer Stelle, verändern aber gleichzeitig unsere Position zu anderen Objekten. Poetisch ausgedrückt: Bewege das Universum, bewege dich aber nicht selbst! Entscheidend dabei ist, den Zeitpunkt des Starts richtig zu wählen!«
    »Wie schön …«, flüsterte Irina.
    Im ersten Moment glaubte Martin, die Worte der Frau bezögen sich auf die Art der Fortbewegung. Doch als er den Kopf in den Nacken legte, sah er, wie sich über ihnen der Himmel öffnete.
    Allmählich löste sich das reine, sonnengleiche Hellblau auf. Keine Wolke prangte am Himmel, das Auge vermochte die Geschwindigkeit des Fluges nicht mehr einzuschätzen, einzig das unendliche Dunkelblau dehnte sich weiter und weiter, bewahrte indes tief unten am Grund den hellblauen Widerschein des Sterns. Dann sprenkelten Sterne das Tiefblau, das in Dunkelheit überging, worauf nur noch die zottelige Sonnenscheibe gleich einem Himmelssplitter leuchtete. Unmerklich veränderte sich die Wahrnehmung, die

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