Spektrum
unschuldig. Reicht diese Antwort?«
»Unbedingt«, versicherte Martin.
Für sie gab es jetzt nichts mehr zu tun. Das Schiff sollte erst in mehr als einer Stunde starten, die Mannschaft – und erst recht nicht die beiden Menschen – musste das System nicht mehr überprüfen. Es blieb ihnen nur zu warten – in jenem auf dem steinigen Boden unterhalb der dunkelblauen Substanz ruhenden lebenden Raumschiff. Zu warten und sich zu unterhalten … Wenn es im Schiff nur die geringste Gelegenheit gegeben hätte, sich zurückzuziehen, hätte Martin eine bessere Möglichkeit gewusst, sich die Zeit zu vertreiben.
Er sah zu Irina hinüber, die in ihrem Konturensessel saß. Als sie lächelte, erwiderte Martin das ebenfalls mit einem Lächeln.
Dennoch fürchtete er sich vor einer weiteren Beziehung mit Irina – sollte ihnen das Abenteuer mit den Schließern überhaupt die Möglichkeit einer solchen lassen. Gestern war alles einfach und richtig gewesen. Ein Mann und eine Frau, die allein auf einem Planeten waren und nicht die geringste Ahnung hatten, was ihnen bevorstand … Worte hatte es keiner bedurft, von den einfachsten, noch vom Cro-Magnon-Typus übernommenen abgesehen.
Heute versuchte Martin sich auszumalen, worüber er sich mit Irina unterhalten sollte. Über die Schließer, über ferne Welten, über traurige Götter, die die Evolution vorantrieben? Bloß nicht. Über Irotschka selbst? Über den kürzlichen Schulabschluss, das erste Universitätssemester, schlechte Lehrer, eintönige Seminare und dumme Kommilitonen? Lächerlich. Über Martin selbst? Mit diesem Gedanken hatte er ein wenig gespielt, achtsam freilich, wie mit einem Ding, das gleichzeitig fragil und glitschig war, wie mit einer stark eingeseiften Kristallschale. Was konnte er dieser jungen Frau erzählen? Wofür könnte sie sich interessieren? Für die Kunst, Cocktails zu mixen? Kulinarische Geheimnisse? Quatsch, all das wissen Frauen erst in weit späteren Jahren zu schätzen. Dann vielleicht von seinen Abenteuern in fremden Welten? Von der Jagd nach Verbrechern, der Suche nach fortgelaufenen Frauen und Kindern? Wie jedoch nahmen sich diese Abenteuer im Vergleich zu den vier Toden von Ira Poluschkina aus? Wie ein Kindergarten, wie Latzhosen …
Das eingeseifte Kristallglas entglitt seinen Fingern und zersprang in zahllose Scherben.
Leicht panisch begriff Martin, dass die letzte Nacht ihr einziges Gesprächsthema darstellte. Das war natürlich nicht schlimm. Wenn Sex unweigerlich nach geistigem Austausch verlangte, hätte die Bevölkerung auf der Erde längst aufgehört zu wachsen.
»Setz dich, Martin«, rief ihm Irina zu.
Martin setzte sich neben sie, der weiche Boden höhlte sich aus, dergestalt einen recht bequemen Sessel formend, in dem man halb sitzend, halb liegend Platz fand. Irina griff nach seiner Hand. »Ich danke dir«, sagte sie leise.
Martin brachte ein höfliches Lächeln zustande und schickte sich schon an, Irina zu fragen, was sie über den Aufbau der bessarianischen Gesellschaft denke, als die Frau fortfuhr: »Jetzt sitze ich hier wie ein begossener Pudel und frage mich, worüber ich mich mit dir unterhalten soll. Ja wohl nicht über die Uni … Oder über fremde Welten, die du ohnehin besser kennst als ich. Soll ich dir ein Staatsgeheimnis verraten?«
Martin schluckte den vorbereiteten Satz hinunter.
»Mein Vater ist immerhin Analytiker, bis heute arbeitet er für die Organe«, erklärte Irina. »Willst du etwas über unsere Verhandlungen mit den Amerikanern wissen?«
»Stopp!«, sagte Martin rasch. »Das interessiert mich überhaupt nicht. Und auch du solltest es besser vergessen. Je weniger du weißt, desto ruhiger schläfst du.«
Sie zeigte sich nicht gekränkt, nahm seine Worte jedoch auch nicht ernst. »Ich liebe Geheimnisse«, teilte sie ihm mit einem Lächeln mit. »Von Kindheit an. Deshalb habe ich meine Nase auch in diese Geschichte reingesteckt …«
»Möchtest du deinem Vater beweisen, dass du pfiffiger bist als er?«, fragte Martin. »Er beschäftigt sich mit Staatsgeheimnissen, aber du knackst die galaktischen Rätsel.«
»Irgendwie schon.« Irina nickte. »Ich habe etwas über die Theorie der Bessarianer gelesen, über den Instinkt, den Verstand und den Metaverstand, über die Notwendigkeit der andauernden Evolution … und darüber, wie die Schließer mit ihren Geschenken eine globale Katastrophe herbeiführen. Genau dazu gab es auch einen Kommentar meines Vaters, warum das eben nicht stimmt, warum man die
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