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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Im zweiten Fall hatte der Besitzer fraglos Glück. Aber ob er auch wirklich größeres Vergnügen empfindet als derjenige, der lediglich im harten Strahl einer heißen Dusche steht, sich schäumend einseift, mit eisigem Wasser abspült, um sodann, am Wannenboden sitzend, eine Zeit lang die eigenen Füße zu betrachten und zu spüren, wie die Müdigkeit aus der Haut herausfließt? Man sei versichert – es ist einerlei.
    Gleichwohl entsprach Martins Bad zu seiner Freude eher dem zweiten Fall. Freilich war die Dusche schlicht, bot keine ausgeklügelten Spielereien, verspritzte nicht an überraschenden Stellen ihr Wasser, und auch der Whirlpool stammte nicht von Jacuzzi und lud aufgrund der kompakten Maße nicht zu Liebesspielen mit der Freundin ein. Dennoch bedeutete es für Martins Körper ebenso wie für seinen Geist Erholung, wenn er sich in die Wanne legte oder unter die Dusche stellte, sobald er nach Hause kam.
    An diesem Abend verzichtete er darauf, Juri Sergejewitsch übermäßig zu quälen, indem er ein Bad nahm. Er duschte bloß, dies jedoch nach allen Regeln der Kunst, bald eisig kalt, bald kochend heiß. Anschließend trocknete er sich ab, zog einen Bademantel an und ging ins Arbeitszimmer.
    »Ich habe schon befürchtet, Sie seien ertrunken«, blaffte der Tschekist.
    Das also trug ihm die Rücksichtsnahme ein!
    »Schneller ging’s nicht«, erwiderte Martin. »Sie sollten doch wissen, wie wichtig Hygiene ist.«
    Zu Martins Verblüffung brach Juri Sergejewitsch in Lachen aus und hob einlenkend die Hände: »Ich geb mich geschlagen. Du hast recht.«
    »Sagen Sie, Juri Sergejewitsch, duzen oder siezen wir uns?«, fragte Martin.
    »Duzen wir uns«, entschied der Tschekist, nachdem er kurz nachgedacht hatte. »Was möchten … möchtest du noch? Essen? Ich habe einen Blick in deinen Kühlschrank geworfen, einen Apfel, grüne Zitronen, eine verfaulte Avocado, fünf Wachteleier und ein paar Zwiebeln gefunden. Damit etwas zu kochen habe ich mich nicht getraut. Wollen wir uns Essen kommen lassen?«
    »Nicht nötig.« Martin verzog das Gesicht. Zweifellos hätte Juri Sergejewitsch auf die Dienste seiner Untergebenen zurückgegriffen – und dann hätte ihr Essen aus Hamburgern, bestenfalls aus einer Tiefkühlpizza bestanden. »Momentan bin ich mit Kognak, einer Zitrone und einer Pfeife ganz zufrieden.«
    »Kognak aus der Pfeife?«, staunte der Tschekist.
    »Tabak aus der Pfeife«, stellte Martin sanft richtig. Er setzte sich an den Tisch und stopfte die Pfeife, derweil Juri Sergejewitsch sich um den Kognak kümmerte und die Zitrone schnitt. »Was ist? Soll ich alles der Reihe nach erzählen?«
    »Ja.« Demonstrativ holte Juri Sergejewitsch das Diktaphon heraus und schaltete es ein. »Ich nehme das Gespräch auf.«
    Martin winkte nur ab. Dann erzählte er – und zwar alles, ohne etwas auszulassen.
    Was den versierten Profi auf den ersten Blick ausweist, ist die Art, wie er einem zuhört. Hin und wieder stellte Juri Sergejewitsch eine Frage, die jedoch stets klug und der Sache dienlich war, den Redefluss nicht unterbrach, sondern ihm nur eine neue Richtung gab. Zu einem einzigen Fluch ließ der Tschekist sich hinreißen, nämlich als er erfuhr, wie Irotschka zu einer Person in sieben Exemplaren geworden war. Nach knapp einer Stunde beendete Martin seinen Bericht, ohne dabei etwas Wichtiges ausgelassen zu haben.
    »Dann sind sie also keine Mentoren«, kommentierte Juri Sergejewitsch nach einer Weile. »Keine Uplifter.«
    »Uplifter?«, hakte Martin nach.
    »Das ist … ein Ausdruck aus der Science Fiction …« Juri Sergejewitsch runzelte die Stirn. »Na ja, Progressoren eben …«
    »Ah, alles klar«, meinte Martin nickend. »Wer kennt sie schon? Aber ihren eigenen Worten zufolge ist es ihnen völlig egal, was wir mit den von ihnen erhaltenen Technologien anstellen, ob wir uns vernichten oder nicht …«
    »Dann lügen sie«, urteilte Juri Sergejewitsch. »Derart zielgerichtete Aktivitäten können nicht sinnlos sein. Dahinter steckt entweder ein Plan von ihnen oder von jemand Drittem. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
    »Erzähl doch mal …« Mit einiger Überwindung wechselte Martin zum Du über. »… worum es eigentlich geht. Was vermutet ihr?«
    »Die ganze Wahrheit?«, grinste der Tschekist. »Also … für den Anfang erst einmal das …«
    Er holte aus seiner Tasche ein Blatt Papier, entfaltete es und legte es vor Martin auf den Tisch. Nachdem dieser es gelesen hatte, blickte er dem Tschekisten in die

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