Spektrum
ist?«, brachte Juri Sergejewitsch mit leicht angesäuseltem Singsang hervor. »Und so leid es mir tut, Martin, aber uns fragt man in diesem Fall nicht. Man lässt uns nicht mal eine Wahl.«
»Genau das ist es ja, was mir missfällt«, bekannte Martin. »So, jetzt haben wir genug auf leeren Magen getrunken. Lass uns was essen fahren.«
»Wohin?«, erkundigte sich Juri Sergejewitsch. »Du bist in gastronomischen Etablissements vermutlich besser bewandert als ich …«
»Ruf an, inzwischen ziehe ich mich um«, verlangte Martin. »Zweihundert-fünfundvierzig-einundfünfzig-zwölf. Und dann reserviere mit sonorer Stimme einen Tisch. Falls alles besetzt ist …«
»Dann erkläre ich, welche Organisation ich repräsentiere«, scherzte Juri Sergejewitsch. »Schon in Ordnung, du brauchst mich nicht für einen kompletten Narren zu halten. Und das Restaurant …«
»Ich bezahle«, entschied Martin unerschütterlich. »Wessen Sterne sind es denn, die wir begießen wollen?«
»Weiß der Metaverstand, wessen«, antwortete Juri Sergejewitsch mit gerunzelter Stirn. »Noch haben die Schließer alle Sterne in der Tasche …«
Juri Sergejewitsch setzte sich entschlossen hinters Steuer und erklärte mit Bestimmtheit, er habe seinen Dienstausweis dabei und es zudem noch nicht verlernt, in jedem Zustand zu fahren. Um elf Uhr abends waren die Straßen leerer, sodass der alte Wolga heulend und durch die Pfützen spritzend den dritten Ring entlangfuhr, das Neue Jungfrauenkloster hinter sich ließ und vor einem bescheidenen Gebäude mit einem Schild »Milizwache« hielt.
»Willst du mich den Behörden übergeben?«, wollte Juri Sergejewitsch wissen. »Wegen Erpressung und … Ah! Hier?«
Er nickte in Richtung der in einiger Entfernung aufschimmernden Reklame des Restaurants Mim ino.
»Nein, für die georgische Küche bedarf es einer anderen Stimmung«, erklärte Martin gewichtig. »Jetzt brauchen wir etwas Europäisches. Gehen wir.«
Schnellen Schrittes – der Regen war eisig, Schirme hatten sie nicht dabei – liefen Martin und der Tschekist an einigen Milizwagen vorbei, um dann eine Tür zu öffnen, über der das Schild Alte Mansarde prangte.
»Ich hoffe doch, es gibt einen Aufzug?«, wollte Juri Sergejewitsch wissen.
»Den brauchen wir nicht. Wir müssen in den Keller«, meinte Martin grinsend.
»Tolle Mansarde!«, verwunderte sich der Tschekist.
»Immerhin ist sie alt!«, parierte Martin. »Die Kulturschicht wächst, die Stadt geht in den Untergrund …«
Nachdem sie ins Souterrain hinuntergestiegen waren, fanden sie sich in der Tat in der Mansarde wieder. Alte Holzbalken, die Wände bemalt mit Szenen aus dem dörflichen Leben und verziert mit verrosteten Eisengegenständen, angefangen von Schlössern und Hufeisen bis hin zu Hacken und Schaufeln. Durch kleine Fenster mit matten Scheiben drang Tageslicht herein, das so spät am Abend völlig unangemessen wirkte.
»Sehr originell«, schnaubte Juri Sergejewitsch. »Außerdem geht dir hier jeder Begriff verloren, ob es Tag ist oder Nacht …«
»So ist es gedacht«, bemerkte Martin philosophisch.
Man konnte nicht sagen, dass er dieses Restaurant häufig besuchte, doch mochte er die Alte Mansarde, der guten Küche wegen, der gepflegten Atmosphäre wegen, der interessanten Kundschaft wegen, selbige bestehend aus Geschäftsleuten, Künstlern und jungen Frauen mit ansprechender Figur, die jedes überflüssige Gramm im benachbarten Fitnessclub gelassen und sogleich beschlossen hatten, wieder etwas Fett anzusetzen.
Sie bekamen einen lauschigen Ecktisch zugewiesen. Fragend sah Martin Juri Sergejewitsch an. Der verstand ihn und zuckte mit den Achseln: »Ein Bier.«
Sie bestellten zwei Krüge ungefilterten Biers und auf Martins Empfehlung hin Schweinshaxe. Das Bier brachte man ihnen schon bald.
»Auf deine Gesundheit«, prostete Juri Sergejewitsch. »Du wirst sie brauchen.«
Martin nahm einen Schluck Bier. »Warum ausgerechnet ich?«, fragte er dann.
»Ich verstehe die Frage nicht.«
»Warum ist Ernesto Poluschkin ausgerechnet zu mir gekommen?«
»Der Tipp kam von mir«, bekannte Juri Sergejewitsch.
»Warum?«, wiederholte Martin stursinnig. »Das schmeichelt mir natürlich … Andererseits gibt es noch Andrej Kusnezow, Ljoscha Filipow …«
»Und die Buschujew-Brüder, Spürhund, Tassja Maximowa …«, führte Juri Sergejewitsch die Liste fort. »Stimmt, auch sie leisten hervorragende Arbeit.«
»Außerdem waren Tassja und Andrej zu dem Zeitpunkt frei«, fügte
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