Spektrum
nicht den Kopf ab. Hab keine Angst um die Bessarianer, Martin.«
»Teufel auch …«, seufzte Martin. »Ihr …«
»Diejenigen, die das Wasser des Verstands in ein neues Gefäß gossen, wählten ihren Weg selbst«, fuhr der Schließer fort. »Sie wollten Bessar nicht den dunkelblauen Weiten ohne jedes Leben preisgeben. Vieles hatten sie vergessen, doch vieles hatten sie auch gelernt. Mach dir keine Sorgen um die komischen Bewohner Bessars, Martin. Setze deinen Weg fort.«
»Irina«, warf Martin ein. In seinem Kopf herrschte völliges Chaos, und er wusste, dass er vergebens fragte. Gleichwohl musste er diese Frage stellen, denn Irina Nummer fünf hatte ihm weit mehr bedeutet als alle Klienten, die er je hatte – mehr noch als die vier ersten Frauen, die denselben Namen trugen.
Der Schließer antwortete nicht. Er senkte den Kopf, starrte auf den Fußboden.
»Ihr seid nicht allmächtig«, fuhr Martin fort. »Das stimmt doch, oder? Und jetzt seht ihr euch mit etwas konfrontiert, das die Kräfte eurer Rasse übersteigt … Weshalb spielt ihr da weiterhin die allmächtigen Götter? Warum reicht ihr uns nicht die Hand … nun, wenn nicht uns, dann … den Arankern … den Dio-Daos … oder wenigstens euren eigenen Nachkommen? Wenn ihr keine Wahrer und Mentoren seid, keine Kontrolleure und Begleiter … ist es euch dann wirklich versperrt, zu Freunden zu werden? Oder zu älteren Brüdern?«
Der Schließer schwieg. Nach einer Weile schaute er Martin in die Augen – und dieser gewahrte in dem Blick Ironie, die bittere und müde Ironie eines Weisen, der von Dummen umgeben ist.
Und dann verschwand der Schließer.
»Ende der Audienz«, stellte Martin leicht verwirrt fest. Nie zuvor hatte ein Schließer zu dieser Methode gegriffen, um ein Gespräch zum Abschluss zu bringen.
Martin begab sich nicht unmittelbar darauf zurück in den Gang. Aus irgendeinem Grund wusste er genau, dass das Große Tor dort liegen würde, an der Stelle, an der er kurzfristig gefangen gehalten worden war. Zunächst trat er von der Veranda herunter, um das Haus von außen zu betrachten. Ein kleines, anheimelndes Holzhäuschen, das vollends mit dem Wald verschmolz, ja, selbst auf dem grasbewachsenen Dach standen kleinere Bäume. Bereits aus einer Entfernung von zehn Schritt vermochte er die bemoosten, von zarten Ästen umwundenen Wände nicht mehr vom Wald zu unterscheiden. Sollten die Schließer auf ihrem Heimatplaneten tatsächlich einer solchen Tarnung bedürfen? Sicher, die Bessarianer hatten sie damit in die Irre geführt …
Vermutlich gefiel es den Schließern einfach, so zu leben.
Martin ging zum Fluss hinunter, um sich an dem aus den Bergen kommenden Wasser zu ergötzen. Durch das glasklare Nass von kristalliner Reinheit schossen kleine flinke Fische, am Ufer putzte sich ein plüschiges Tier, das sich durch Martins Auftauchen nicht stören ließ und erst ins Wasser tauchte, als es seine Körperpflege beendet hatte.
Hier war es in der Tat schön …
Martin kehrte zu dem kleinen Häuschen zurück, durchmaß den leeren Gang und baute sich am Terminal auf. Ein Computer wie auf der Erde, völlig normal. Aus Neugier versuchte Martin, in der Liste mehrere Planeten auf einmal zu markieren – die nicht vorgesehene Möglichkeit existierte bereits nicht mehr.
Sodann wählte Martin das Übliche: die Erde und Moskau.
Eins
Die Stadt empfing Martin mit strömendem Regen. Schräge Strahlen prasselten auf die Pfützen ein, Spritzer stoben auf, von den Dächern stürzten Wasserfälle, selbst die Demonstranten hatte der Regen fast ausnahmslos vertrieben. Nur der Mann mit dem Plakat: »Galotschka, komm zurück!« stand unverdrossen vor der Station. Sein Regenschirm war alt, in einem tristen Schwarz, einige Noppen fehlten, und das Wasser floss dem verlassenen Gatten – warum musste es eigentlich unbedingt der Ehemann sein? – in den Kragen und trommelte gegen das Plakat. Die orangefarbene Schrift, in der dieser hoffnungslose, sich mit dem Vornamen bescheidende Aufruf geschrieben war, verschwamm bereits und verwandelte den sorgsam ausgeführten Text in ein versponnenes kalligraphisches Experiment.
Martin steuerte einen freien Grenzschalter an. Seine Schuhe hatten die Schließer ihm nicht wiedergegeben, sodass er jetzt versuchte, so unbekümmert und selbstsicher wie möglich durch die Pfützen zu schreiten. Letzten Endes war es ja nur in der Metro verboten, barfuß zu gehen!
Vor dem trauernden Mann blieb Martin kurz stehen. Ihre Blicke
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