Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
Unterschichten … und dafür starben sie in der Fremde, wurden zu Spiegeln der Revolution oder zu der Zwischenschicht zwischen Sichel und Amboss. Und recht geschah ihnen! Was bin ich froh, Martin, dass es heutzutage kaum noch Schriftsteller bei uns gibt, sondern alle mit dem Verfassen von Geschichten für die Schließer beschäftigt sind!«
    Martin verzog angewidert das Gesicht.
    »Bin ich streng?«, fragte Juri Sergejewitsch, nachdem er an seinem Bier genippt hatte. »Zu streng? Wir Russen haben uns mit unserer Liebe zu Extremen das eigene Grab geschaufelt. Dank der Schließer haben wir jetzt wenigstens Luft zum Atmen. Sonst wäre das Land vor die Hunde gegangen … Im Jahre 2015 wäre den Prognosen zufolge alles zusammengebrochen. Insofern kann ich deine Leidenschaft für gutes Essen, ordentliche Kleidung und angenehme Musik samt teurer Anlage nur billigen. Denn das Recht darauf verdienst du dir mit all dem Schweiß und Schmutz, dem Blut und den Nerven. Wie man sich auch … Schweinshaxe mit Wachteleiern … verdienen muss …« Er richtete den Blick auf den Teller. »Martin, wollen wir etwas Stärkeres nehmen?«
    Nach kurzem Nachdenken bestellte Martin eine Flasche Tullamore Dew.
    Sie saßen noch lange zusammen. Dabei sprachen sie über mancherlei, nur nicht über ihren Fall.
    Irgendwo in den Tiefen des Kosmos zogen die schwarzen Schiffe der Schließer ihre Bahn, indem sie sich an den Signalen unbekannter Leuchttürme orientierten, um so immer neue Planeten in das galaktische Transportnetz zu integrieren. Die beiden letzten Irotschka Poluschkinas suchten nach einer Möglichkeit, das Universum zu retten. In den Büros des Föderativen Sicherheitsdienstes hefteten die Mitarbeiter der Nachtschicht die Dokumente über Martin Igorjewitsch Dugin ab, den frisch gebackenen Major, vormals unter dem Decknamen Snob geführt.
    Martin und Juri Sergejewitsch tranken den berühmten irischen Whisky. Juri Sergejewitsch stellte in Aussicht, Martin in ein weiteres Restaurant zu bringen, das ebenfalls in einer Mansarde untergebracht war, diesmal jedoch allen Ernstes, will heißen in der Mansarde der weißrussischen Botschaft im Stadtteil Kitaigorod. Martin erklärte umständlich, er liebe nichts mehr als das gewohnte Zusammensitzen in einer russischen Küche und all die Restaurants dienten nur dazu, sich auszutoben und seine Neugier zu befriedigen. Der Tschekist erzählte von Reisen, die ihn von der Erde weggeführt hatten, vermied beharrlich jede konkrete Äußerung, schilderte dafür jedoch anschaulich komische Details des außerirdischen Alltags. Der Privatdetektiv berichtete ohne Nennung von Namen über seine Lieblingsfälle: Über einen blinden Reisenden und seinen Hund. Martin hätte schwören können, dass die Entscheidung darüber, welchen Planeten sie besuchten, der Hund traf. Über einen Drittklässler, der von zuhause weggelaufen und durch fünf Tore gegangen war, bevor Martin ihn erwischt und zur Rückkehr überredet hatte, wobei ihm Letzteres nur mit dem Versprechen gelang, man würde ihm ganz bestimmt Rollerskates schenken. Von den Skates kamen sie zu einer Diskussion über verschiedene Kognakmarken. Irgendwann schloss das Restaurant und sie traten in die kühle Nacht hinaus. Endlich hatte der Regen aufgehört. Sobald sich Juri Sergejewitsch hinters Steuer gesetzt hatte, war er im Nu nüchtern. Prompt verlangte Martin von ihm, ebenfalls diese tschekistischen Ernüchterungstabletten zu bekommen, worauf Juri Sergejewitsch beteuerte, das Phänomen hänge einzig vom langen Training und dem Glauben an die Pflicht ab. Beide überließen sich ihrer betrunkenen Trägheit (die geheime russische Formel: die Zeit eines Besäufnisses ist gleich die Intensität des Gesprächs, geteilt durch die Menge des Getrunkenen) und fuhren zum Punkt. Doch auch diese Einrichtung, einer der ältesten Moskauer Nachtclubs, machte langsam die Pforten dicht. Die Jugendlichen waren zur Ruhe gekommen und verliefen sich nun, nachdem sie ihre Energy-Cocktails getrunken hatten. Die verliebten Pärchen wurden des Tanzens müde. In dem großen Saal mit Betonfußboden hielten sich nur noch zwischen vierzig und fünfzig Menschen auf. Jemand spielte gelangweilt an einem lächerlichen, da viel zu kleinen Billardtisch, jemand trank am Tresen sein Glas aus. Martin und Juri Sergejewitsch nahmen ebenfalls auf den hochbeinigen Drehstühlen Platz, bestellten je einen Whisky – man sollte bei dem einmal gewählten Getränk bleiben, vor allem gegen Morgen. Auf der

Weitere Kostenlose Bücher