Spektrum
offenbar auswendig gelernt, da der Sprecher das Touristische eigentlich nicht beherrschte.
Langsam stieg Martin aus dem Brunnen. Nur gut, dass die beiden ihn nicht angehalten hatten, die Waffe wegzuwerfen. Das ließ immerhin hoffen.
Nachdem Martin den Polizisten schon ein ganzes Stück gefolgt war, drehte er sich in einiger Entfernung vom Springbrunnen noch einmal um.
Aus dem Brunnen zog man die leblosen Körper der Vogelkinder. Die Leiche des durchgedrehten Schealiers hatten die anderen ebenfalls herausgefischt. Nicht weniger als ein Dutzend erwachsener Schealier rissen ihn jetzt mit Schnäbeln und Händen erbittert in Stücke.
Und unter den platschenden Strahlen des Springbrunnens stand nach wie vor das schealische Mädchen und schaute ihm nach.
Vier
Das Verhör dauerte nicht lange und glich eher der Durchführung gewisser ritueller Formalitäten. Ein Schealier von tadelloser Höflichkeit bat Martin, detailliert alles zu beschreiben, was er unternommen hatte, angefangen von dem Moment, da Martin den »Verstandgeschockten« gesehen hatte. Mit diesem leicht gestelzten Ausdruck bezeichnete der Polizist den Wahnsinnigen, der das Blutbad angerichtet hatte.
Martin versuchte, auch die Motive seines eigenen Verhaltens zu erhellen: Wie er zunächst nicht begriffen habe, was da vor sich ging, wie er sich um die hilflosen Vogeljungen gesorgt habe, wie er versucht habe, den Mörder abzulenken … Der Polizist bedeutete ihm jedoch, diese Details interessierten ihn in keiner Weise. Ihm ging es einzig um Fakten. Um die Abfolge der Handlungen: sich erheben, rennen, springen, schreien, schießen …
»Sehen, hören, hassen …«, murmelte Martin und fing an, mit den Händen herumzufuchteln, um »die Fakten und nichts als die Fakten« zu schildern. Huldvoll nickte der Polizist. Martin empfand, offen gestanden, keine Furcht. Vielleicht erklärte sich das durch das gemütliche Büro in der Polizeiwache, das mit seinen Blumen und den breiten Fenstern, die natürlich zum Tempel hinausgingen, so gar nicht an ein finsteres Verlies erinnerte.
»Das stimmt alles und ist durch Zeugen bestätigt«, meinte der Polizist, nachdem er Martin angehört hatte. »Das Volk der Schealier wirft ihnen nichts vor.«
Martin nickte verstehend. Im Grunde fand er sogar, das Volk der Schealier müsste ihm seine Dankbarkeit dafür aussprechen, dass er diesen Verrückten unschädlich gemacht hatte.
»War der Verstandgeschockte krank?«, fragte er.
»Ja«, bestätigte der Polizist. »Er litt an Verstand.«
»Nur gut, dass ich in der Nähe war«, merkte Martin tiefgründig an.
»Das war schlecht«, entgegnete der Polizist. »Der Verstandgeschockte kam aus einem abgeschiedenen Bergdorf. Nie zuvor hat er Fremdplanetarier gesehen. Als sein Blick auf Sie fiel, der Sie wie ein echter Schealier auf einer Bank saßen, explodierte die Innenwelt des Verstandgeschockten. Er wusste nicht, wie er sich in der gegebenen Situation verhalten sollte. Er führte seine Ritualmesser mit sich, hielt Sie jedoch für zu gefährlich, weshalb er beschloss, nicht gegen Sie zu kämpfen. Statt dessen suggerierten ihm alte Instinkte, sich nach einem in diesem Fall unpassenden Muster zu verhalten, einige Vogeljunge umzubringen und zu fliehen, während das Raubtier ihre Körper frisst.«
Martin saß wie ein begossener Pudel da. Ihm blieb die Luft weg.
»Sie trifft keine Schuld«, beruhigte ihn der Polizist. »Die Schuld trägt der Dorfälteste, der den Geschockten ohne entsprechende Vorbereitung in die Stadt ziehen ließ. Er wird seine Strafe bekommen.«
»Ich wusste nicht …«, setzte Martin an.
»Natürlich nicht. Sie sind ja auch nicht schuld.«
Dennoch fühlte sich Martin schuldig. Er erinnerte sich an den gelb-grünen Flaum, den die Wasserstrahlen des Springbrunnens geglättet hatten, des rosafarbenen Wassers, des erstarrten schealischen Mädchens … Mit einem Kopfschütteln verjagte er diese Erinnerungen. Schluss, das war vorbei. Daran ließ sich eh nichts mehr ändern. Das Leben ging weiter.
»Könnten Sie mir helfen?«, wollte Martin wissen. »Ich suche eine Frau meiner Rasse, die vor einer Woche nach Scheali gekommen ist. Das ist ihr fotografisches Abbild …«
»Das braucht Zeit«, erklärte der Polizist, nicht im Geringsten über die Bitte erstaunt. »Kommen Sie gegen Abend wieder.«
Martin nickte. »Dann gehe ich jetzt«, gestikulierte er. »Am Abend komme ich wieder. Vielen Dank.«
»Vergessen Sie das Dokument für das Vogeljunge nicht.« Der Polizist
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