Spektrum
Seelen wohnte etwas Übermütiges, etwas Sorgloses inne. Wie im Traum oder nach einer ausgiebigen Zecherei, wenn das von den langsamen Neuronen gereinigte Hirn einfach mit den kühnsten Kategorien operiert. »Irinka, die Vergangenheit verstehen wir jetzt …«
»Bessar!«, warf sie ihm ein neues Thema hin.
»Das ist leicht!«, antwortete Martin. »Die künstliche Erzeugung einer intelligenten Rasse, die ausgesprochen lange lebt und absolut an ihre Umgebung angepasst ist. Weder Evolution noch Unsterblichkeit sind da irgend nötig …«
»Die Geddarn?«
»Hm …« Martin dachte nach. »Da lässt sich nur schwer was zu sagen … ihre Gesellschaft ist von Theologie durchtränkt, wobei die Geddarn behaupten, ihre Theologie … wie soll ich das ausdrücken? … sei eine angewandte! Damit wäre es aber keine Religion, sondern Magie. Führe eine bestimmte Handlung durch, und du erhältst von Gott die gewünschte Antwort. Was ist an den Geddarn sonst noch auffällig? Ihre Frauen besitzen keinen Verstand, das ist allgemein bekannt.«
»Hast du schon mal einen weiblichen Geddar getroffen?«, fragte Irina.
»Nein«, antwortete Martin. »Dafür versuchen sie, bei ihren Kchannans den Verstand zu entwickeln, und sind dabei beinahe übers Ziel hinausgeschossen. Also …«
»Ist dir noch ein anderer Fall bekannt, bei dem auf einem Planeten von Anfang an zwei intelligente Rassen gelebt haben?«, insistierte Irina.
»Nein.« Martin schüttelte den Kopf.
»Oder eine Rasse, die ihre Haustiere überall mit hinschleppt? Hunde, Vögel, Pferde?«
Martin verschluckte sich. Irina sah ihn triumphierend an.
»Das ist unmöglich …« Protestierend schüttelte Martin den Kopf. »Das ist einfach unmöglich! Das sind unterschiedliche biologische Gattungen!«
Die anderen Gäste sahen bereits zu ihnen hinüber. Irina berührte seine Hand. »Sprich doch etwas leiser!«, raunte sie. »Doch, das ist möglich! Die Kchannans sind die Weibchen der Geddarn. Sie sind gleichzeitig Haustier und Ehepartnerin. Die weiblichen Individuen könnten einst in den ufernahen Gewässern gelebt haben, die männlichen an Land auf Jagd gegangen sein. Das wäre eine sehr vorteilhafte Variante, denn sie garantiert zwei permanente Nahrungsquellen. Irgendwann wäre der ertragreiche Uferstreifen vollständig besiedelt gewesen. Da das Leben außerhalb des Wassers weniger vorhersagbar ist und Verstand erfordert, mussten sich die männlichen Individuen weiterentwickeln. Allerdings könnte sich diese Teilung auch erst nach der Apokalypse herausgebildet haben … Dann wären die Frauen ins Meer zurückgekehrt, während die Männer auf dem Festland blieben.«
»Wie hast du das herausbekommen?«, fragte Martin. »Steht das auch im Dossier zum Dienstgebrauch!«
Irina schüttelte den Kopf. »Ich habe einmal gesehen, wie ein Geddar einen Kchannan begattet hat. Auf Bibliothek. Daher weiß ich es.«
»Haben sie dich bemerkt?«, fragte Martin rasch.
»Vielleicht das Weibchen …«, erwiderte Irina achselzuckend. »Ich weiß es nicht. Und es spielt auch keine Rolle, Martin. Sag mir lieber, ob diese Konstellation einen weiteren Versuch darstellt, die mentale Evolution aufzukündigen.«
»Das könnte sein«, meinte Martin nickend. »Das könnte in der Tat sein. Eine globale Katastrophe … danach stellt der Verstand einen Fluch dar … aber irgendein aufrührerischer ThaiGeddar weigert sich, auf das Niveau eines Tiers zurückzusinken …«
»Alles dreht sich um den Verstand«, meinte Irina nickend. »Segen oder Fluch. Endphase oder Zwischenstopp.«
»Die Rassen, die ganz auf den Verstand verzichtet haben, nehmen wir dabei nicht einmal wahr«, flüsterte Martin. »All die Planeten, die heute kolonialisiert werden … wir glauben doch, dass es auf ihnen nie intelligentes Leben gegeben hat. Dabei gab es das … und irgendwelche Tiere sind die ehemaligen Herren dieses Planeten!«
»Die Ureinwohner von Pfad waren ganz bestimmt intelligent, und die armen Oulua degenerierten, aber nicht vollständig«, zählte Irina auf. »Die Schealier wählten eine ausgesprochen exotische Variante, sie haben intelligente Kinder, während die Erwachsenen auf den Verstand verzichten.«
»Vermutlich gibt es weitere Varianten«, hauchte Martin. »Mein Gott … was haben wir für Glück gehabt …«
»Siehst du das so?«, fragte Irina skeptisch. »Gefällt dir die Variante der Geddarn nicht? Dann würde das Mädchen Irinka zuhause sitzen, essen und auf der Wiese tollen … Du würdest kommen, mich
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