Spektrum
schnappen und in der Diele auf den Teppich setzen. Ich würde dir immer Freude machen, mit dem Schwanz wedeln, dir die Pantoffeln in der Schnauze bringen …«
»Puh«, stieß Martin aus, während er ihr in die lächelnden Augen blickte. »Wenn ich dich so höre, wundere ich mich nicht, dass unsere guten Geddarn ständig versuchen, ihren Frauen das Denken beizubringen.«
»Was wäre dir denn lieber …« Gedankenverloren sah Irina zur Decke. »Soll ich von der Pike auf die Sprache der Schealier lernen und an ihrem Ritual im Tempel teilnehmen?«
Martin beugte sich über den Tisch – und küsste sie.
»Das nächste Mal spar dir deine Kommentare lieber«, sagte Irina nach dem langen Kuss. »Lass uns lieber weiter über unser Problem nachdenken. Da wir nun schon mal den Verstand dazu haben.«
Martin spähte durch die Kneipe. Offenbar hatte ihr leidenschaftlicher Kuss keine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Gott sei Dank waren die Goldgräber auf Talisman höchst taktvoll …
»Was gibt es da noch groß zu grübeln?«, fragte Martin. »Der letzte Versuch der Schließer, der Galaxis Frieden und Reichtum zu bringen, endete mit einer Katastrophe. Entweder die Gesetze der Natur oder ein strenger Gott – die Unterschiede dürfen wir getrost vernachlässigen – gaben ihren faulen Kindlein Zunder. Manche haben sich daraufhin womöglich gefügt und die nächste Stufe der Entwicklung erklommen. Diese Wesen können wir einfach nicht wahrnehmen. Andere sind wieder auf das Niveau der Tiere zurückgefallen … in verschiedenen Variationen. Diese Wesen nehmen wir wahr, zählen sie jedoch zu den Beutetieren. Der Großteil hat sich erholt, vermehrt sich wieder und hält erneut am Alten fest. Dazu gehören auch die Schließer. Folglich wird es eine neuerliche Standpauke geben.«
»Die Alternative wäre, die Schließer davon zu überzeugen, das Transportnetz zu zerstören.«
»Das würde erstens nicht funktionieren«, meinte Martin kopfschüttelnd. »Und zweitens würde es die Sache nur hinauszögern, da dann alle Rassen unabhängig voneinander zu diesem Schluss kommen müssten.«
»Aber es muss noch einen anderen Ausweg geben«, beharrte Irina. »Es muss doch einen Grund haben, dass Talisman in der Liste aufgeführt ist.«
Martin seufzte. Wie oft sollte er noch wiederholen, dass sein Wissen über Talisman aus dem Digest für Reisende, dem Werk von Garnel und Tschistjakowa, der Enzyklopädie der Welten von Microsoft und vergleichbaren Werken stammte.
»Irinka, wenn du etwas darüber weißt …«, setzte er an.
Doch in diesem Moment näherte sich ihnen endlich der Kellner mit der Spezialität des Krepierten Ponys.
Erleichtert ließ Martin den begonnenen Satz unvollendet.
Zwei
Der Mensch ist ein Allesfresser. Unter den Bedingungen eines milden, warmen Klimas, bei geringer Bewegung und seltenem Vollzug des Geschlechtsverkehrs ist er durchaus in der Lage, mit pflanzlicher Nahrung auszukommen. Freilich nur, wenn diese im Übermaß vorhanden und körperliche Arbeit durch den Eintritt ins Nirwana abgelöst wird.
Der Mensch ist ein Raubtier. Irgendwann hatte Martin einmal die Geschichte von einem indischen Teenager gehört, der von Geburt an kein Fleisch gegessen hatte. Diesen Inder verschlug es – nachdem er einen der üblichen Wettbewerbe der indisch-russischen Freundschaft gewonnen hatte – eines Tages ins befreundete Russland. Das erste Erlebnis, von dem der Junge seinen ihn in Empfang nehmenden russischen Freunden höchst aufgeregt berichtete, betraf jene »erstaunlich leckeren braunen Fladen«, die man ihm in der Aeroflot-Maschine serviert hatte. Sicher, als der Junge erfuhr, dass die zerstreute Stewardess ihm Koteletts vorgesetzt hatte, packten ihn Trauer und Scham. Dies sagt freilich nichts über die Bedürfnisse des Organismus aus, sondern einzig über die moralische Stärke des Jungen. Der durch die vegetarische Lebensweise geschwächte jugendliche Organismus hatte gegen das Fleisch indes nichts einzuwenden gehabt …
Martin hätte vermutlich nur Hundefleisch abgelehnt. Auch dies einzig aus moralischen Gründen. Insofern schockierte ihn die vom Kellner gebrachte Spezialität des Hauses in keiner Weise.
»Ist das Pferd?«, fragte er, während er die rötlichen Stücke kalten gekochten Fleischs betrachtete.
Der Kellner nickte, auf eine Reaktion lauernd. Neben dem Pferdefleisch gehörten zur Spezialität des Krepierten Ponys als Hufeisen geformte Teigwaren, ein wenig Hartkäse, der zu Kügelchen gerollt war, und
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