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Spektrum

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Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sondern als Selbstgebrannter Fusel! Ich habe zwei Kisten mit Getränken von der Erde, doch wer könnte es sich leisten, sie zu kaufen? Wer bittet mich denn, mal einen Cocktail zu mixen? Wer trinkt hier einen Fluchtversuch oder eine Ausmusterung!
    Wer bestellt schon einen Ring der Finsternis oder eine Wolfsnatur? Selbst ein banaler Gin and Tonic oder das Gläserne Meer sind auf Prärie undenkbarer Luxus. Das ist grauenvoll, junger Mann! Letzte Woche hat so ein Dämlack Tagträume bestellt. Was habe ich mich gefreut, weißen Bussot, Grenadin und Grappa parat zu haben … Und dann hat er sich das Ganze mit seinem Selbstgebrannten veredelt!«
    »Sie sind kein Amerikaner«, stellte Martin fest. »Sie müssen aus Odessa sein.«
    »Ich bin aus Cherson, junger Mann«, erwiderte der Barmann, sich bei diesen Worten stolz aufrichtend. »Das ist nicht mit Odessa zu vergleichen – das ist besser! Wo kommen Sie denn her?«
    »Aus Moskau.«
    »Wo man nicht überall Landsleute trifft«, bemerkte der Barmann philosophisch, während er Martin die Hand drückte. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
    Martin holte eine Fotografie hervor, die er dem Barmann zeigte.
    »Die war hier«, verkündete der Barmann, kaum dass er einen Blick auf das Foto geworfen hatte. »Wann war das … Himmel hilf, mein Gedächtnis … Am Freitag? Oder am Samstag?«
    »Am Freitag«, entschied Martin.
    »Nein, ich glaube am Samstag …«, grummelte der Barmann. »Oder sogar Sonntag? Wissen Sie was? Ich rate Ihnen, mit dem Väterchen da am Fenster zu sprechen! Das Mädel hat sich lange mit ihm unterhalten.«
    Das »Väterchen« war ein kleinerer Mann von etwa vierzig Jahren. Eine Kappe, lässig in den Nacken geschoben, gab eine prächtige Glatze, die hohe Stirn des Denkers und einen großen Teil des Schädels preis. Mochte der Mann auch dünn sein, so wirkte er doch ausgesprochen drahtig. Er trug ausgewaschene Jeans und ein hellbraunes Wildlederhemd. Zeigte sich in den Augen des Barmanns Traurigkeit, so wirkte das Väterchen mit der Kappe schlicht wie das Zentrum universellen Grams. Keine Frage, die Zivilisation hatte sich ihm gegenüber ernstlich etwas zuschulden kommen lassen – worauf der Mann nunmehr nichts Gutes von seiner Umwelt erwartete. In seinem an den Gürtel geknüpften Halfter von beachtlicher Größe steckte ein riesiger vernickelter Colt, vor ihm auf dem Tisch stand eine zur Hälfte geleerte Flasche des berüchtigten Selbstgebrannten, von dem das Väterchen in ebendiesem Moment einen weiteren Schluck zu nehmen sich anschickte, wofür er lange die Stirn runzelte, misstrauisch ins Glas linste, sich abwandte und angewidert auf den Boden ausspuckte, nur um am Ende dann doch etwas zu trinken – ein Yogi, den man gewaltsam in ein Nagelbett gelegt hatte, dürfte seine Qual kaum stoischer hinnehmen.
    »Wie heißt er?«, wollte Martin wissen.
    »Das weiß niemand«, sagte der Barmann grinsend. »Sprechen Sie mit ihm, vielleicht stellt er sich Ihnen vor.«
    Dankbar nickend, schnappte sich Martin sein Bier und schlenderte zu dem Cowboy hinüber, der nach wie vor über seiner Alkoholportion grübelte. »Sie gestatten?«, fragte Martin.
    »Setzen Sie sich«, knurrte der Cowboy finster. Er füllte ein Glas bis zum Rand und schob es Martin hin.
    Welche Opfer einem Privatdetektiv abverlangt werden!
    Martin schnupperte gar nicht erst an dem Getränk. Selbstverständlich warb das Aussehen des geheimnisvollen Väterchens nicht gerade dafür, doch in der Bar würde wohl kaum reines Gift verkauft werden. Er trank auf ex und kippte unverzüglich Bier hinterher.
    O nein, das konnte in der Tat nicht als Whiskey durchgehen, das war purer Selbstgebrannter. Freilich musste er einräumen, dass es ordentlicher Selbstgebrannter war, der dem russischen in nichts nachstand.
    »Dann erzähl mal«, forderte der Mann ihn auf, der das Experiment anscheinend als geglückt betrachtete.
    »Ich heiße Martin …«
    »Ich kann meinen Namen nicht nennen«, warf der Cowboy traurig ein.
    »Warum nicht?«, wollte Martin wissen.
    »Dann bringt man mich um. Auf der Stelle.«
    In dem Blick des kahlen Cowboys lag eine solch felsenfeste Sicherheit, dass Martin nicht widersprach. »Gut, wenn Ihnen das lieber ist. Ich suche diese junge Frau …«
    »Zeig mal.« Der Cowboy streckte die Hand aus, nahm das Foto an sich und studierte das Bild einen ausgedehnten Moment lang. »Ach ja. Ein feines Mädel. Sehr gut, sehr nett. Wir haben uns unterhalten.«
    »Die Eltern des Mädchens haben mich angeheuert, um

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