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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Vorgestern ist Irina gestorben.«
    »Dann habe ich sie vermutlich davor gesehen«, entgegnete der Cowboy ungerührt. »Sie wollte zu den Ruinen, davon hatte ich sie einfach nicht abbringen können. Frag mal den Indianer … Er hat sie gebracht.«
    Nach längerem Schweigen erhob Martin sich. Amüsiert blickte ihm der Cowboy nach, gleichsam als spüre er das unausgesprochene Misstrauen.
    Martin trat an den Indianer heran. »Friede sei mit dir, Jim«, begrüßte er ihn.
    »Friede sei auch mit dir«, erwiderte der Indianer. Obwohl er ein recht ordentliches Touristisch sprach, konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er es sich selbst beigebracht hatte.
    »Hast du diese Frau schon einmal gesehen, Jim?«, fragte Martin und holte die Fotografie heraus. Es gab Rassen, die konnten ein Abbild nicht mit dem Original in Verbindung bringen. Die Eingeborenen von Prärie hielten es in dieser Beziehung offenbar eher mit den Menschen.
    Der Blick des Indianers huschte über die Aufnahme.
    »Ja«, bestätigte er mit einem bedächtigen Nicken.
    »Wann?«, fuhr Martin mit seiner Befragung fort.
    »Vorgestern habe ich sie zur alten Stadt gebracht«, erklärte der Indianer. »Mittags haben wir uns getrennt.«

Drei
     
    Häufig kam Martin nicht in die Verlegenheit zu reiten. Doch beherrschten heutzutage überhaupt noch viele Menschen diese vornehme Kunst? Auf Prärie hingegen stellten Pferde das übliche Fortbewegungsmittel dar. Hinzu kamen einige Hubschrauber und zwei Cessnas auf der Startbahn, der ganze Stolz der Kolonisten, die gleichwohl nie auf die Idee gekommen wären, sie im Alltag einzusetzen. Autos sah man ein wenig häufiger, hauptsächlich Diesel, doch mehrheitlich bewegten sich die Menschen auf Pferden vorwärts. Offenbar gewann man aus dem hiesigen Öl zu wenig leichte Fraktionen, um bei den kapriziösen Motoren die Verbrennung zu gewährleisten. Martin vermochte sich ohnehin kaum vorzustellen, wie die Kolonisten die ungeheure Menge an technischem Kram durch das Große Tor gebracht hatten. Ob sie alles zerlegt und so in ihren Rucksäcken transportiert hatten, um es vor Ort zusammenzusetzen? Vermutlich. Wie viele Geschichten galt es da zu erzählen, wie viele Gänge zu absolvieren, nur damit in der Kolonie die ersten Flugzeuge auftauchten oder der erste Bohrturm? Aber was hieß Bohrturm – allein damit eine schnöde Bäckerei eingerichtet werden konnte?! Unweigerlich gedachte Martin des Gejammers seines Onkels, dieses Liebhabers schöner Literatur, über die kreative Krise, die russische wie ausländische Schriftsteller in den letzten zehn Jahren lähme. Der Grund dafür lag offen auf der Hand: Alle leidlich begabten Autoren schufen Geschichten für die Schließer und standen in Lohn und Brot bei mehr oder weniger seriösen Einrichtungen. Dem einen diente das Geld als Argument, dem anderen die patriotischen Appelle seitens der Regierung … Bücher schrieben einzig die Autoren von endlosen Fantasy-Zyklen und Liebesromanen. Und die Geschichten, die sich auszudenken ihnen zu Gebote stand, genügten den Ansprüchen der Schließer ohnehin nicht.
    Doch wie hoch der durch einen starken Dollar angeheizte patriotische Enthusiasmus amerikanischer Schriftsteller auch gekocht sein mochte, einen Mietwagen hatte er Martin nicht bereitstellen können. Der einzige Mietstall in der Stadt hielt vier friedfertige Stuten zur Auswahl bereit, denen Martin allerdings kein Vertrauen entgegenbrachte. Seiner seltenen Reitversuche eingedenk schüttelte er den Kopf und verzichtete auf einen gemieteten Gaul.
    Zu den Ruinen brach Martin zu Fuß auf. Dem Indianer Jim, der neuerlich auf diese Weise Arbeit als Führer erhielt, sollte das nur recht sein. Soweit Martin wusste, ritten die Ureinwohner auf Prärie kaum auf den ihnen zur Verfügung stehenden Tieren, sondern beluden sie lieber mit ihren Habseligkeiten. Auch das hatte einen höchst banalen Grund: Die Tiere, die sie wie Ochsen verwendeten, hatten ein grauenvoll spitzes Rückgrat, zweifelhafte Manieren und interpretierten jeden Versuch, auf ihnen zu reiten, als Aggression.
    Fußmärsche ermüdeten Martin niemals, erst recht nicht auf einem derart gastfreundlichen Planeten. Schließlich bedeutete es das pure Vergnügen, im orangefarbenen Gras einherzuschreiten, ein warmes Lüftchen auf der Haut zu spüren, die ungewohnten aromatischen Düfte zu inhalieren und mit allen Sinnen zu begreifen, dass man undenkbar weit weg von Erde und Sonne ist, auf einem Planeten, wo die gesamte menschliche Bevölkerung

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