Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
Finanzabteilung in einer kleinen Schlange an. Finster dreinblickende Goldgräber schleppten ihre derben, schweren Lederbeutel an, eine kräftige selbstbewusste Frau brachte zwei Kisten mit irgendwelchen Früchten und getrocknete Kräuter an, ein intelligent aussehender junger Mann stellte sich als Viehzüchter heraus, der lange um den Preis für Rindfleisch feilschte. Als Martin an der Reihe war, breitete er auf dem Tisch einen Teil des Tabaks und der Gewürze, Süßigkeiten und Aspirin, Kondome und Glühbirnen für Taschenlampen, Spielkarten und die aktuelle Nummer des Digest aus. Der ihm dafür angebotene Preis stellte ihn vollauf zufrieden, ermöglichte er ihm doch, ein paar sorglose Wochen auf Prärie 2 zu verbringen. Vermutlich hätte er seine Vorräte mit größerem Gewinn verkaufen können, wenn er kleinere Verkaufsstände abgeklappert hätte, doch bestand dafür keinerlei Notwendigkeit.
    Wenn jemand Martin in diesem Moment gefragt hätte, weshalb er sich auf einen längeren Aufenthalt auf Prärie 2 einrichtete, hätte er keine aufschlussreiche Antwort erhalten. Martin hätte seine Vorliebe für ein komfortables Leben vorgeschoben, das sich ohne das nötige Kleingeld nicht führen ließ, hätte vom Berufsethos eines Privatdetektivs gesprochen, das es verlangte, alle Kontakte Irina Poluschkinas in New Hope zu überprüfen, und sein Interesse am Leben in der größten menschlichen Kolonie eingeräumt, die man in ein, zwei Tagen einfach nicht kennenlernen könne.
    Der wahre Grund klang freilich weitaus prosaischer.
    Irina Poluschkina wollte Martin partout nicht aus dem Kopf gehen! Seit seiner Rückkehr von Bibliothek, in Gesellschaft seines Onkels, den er mit Pelmeni bewirtet hatte, und seines Bruders, mit dem er Whisky getrunken hatte, und hier, auf Prärie 2, dachte er in einem fort an sie. Das erste und letzte Mal war Martin dergleichen in seiner Jugend widerfahren, als er, ein – ganz wie es sich für einen Neunzehnjährigen geziemt – höchst abgeklärter und zutiefst vom Leben enttäuschter junger Mann, sich unversehens verliebte. Und zwar richtig verliebte. Sich mit allem, was dazu gehörte, verliebte: mit Pein, Tränen im Kopfkissen, nächtlichen Streifzügen um das Haus der selig schnarchenden jungen Dame, stundenlangen eintönigen Telefonaten und süßen Selbstmordträumen! Damals hatte er mit unbändigem Erstaunen und ebensolcher Verzweiflung verstanden, dass er ständig an das Objekt seiner Liebe dachte, in einem fort, während er sich in öden Vorlesungen den Hintern platt saß, mit Freunden Bier trank, mit der Metro fuhr oder zu Bett ging.
    Doch irgendwann endet alles. Wie nicht anders zu erwarten, dachte Martin seltener und seltener an den Gegenstand seiner Qualen, spann neue, keine Verpflichtungen nach sich ziehende Affären an, legte sich einen noch skeptischeren und misstrauischeren Blick aufs Leben zu und ließ die Finger von der Liebe. Fortan versuchte er, allzu heftige Gefühle zu meiden, um Vamps jeden Alters machte er einen Bogen, blutjungen Mädchen, die bereit waren, sich stürmisch und selbstvergessen zu verlieben, ging er ängstlich aus dem Weg.
    Freilich, Martin pflegte auch ernsthafte Beziehungen, von denen manche Jahre, manche nur Stunden dauerten. Erfahrene Frauen mittleren Alters zogen Martin an, die sowohl etwas vom Leben wie vom Sex verstanden, um deren häusliches Leben es gut bestellt war, die einen Geliebten indes als ebenso unverzichtbares Attribut einer Familie ansahen wie einen Ehemann, Kinder und eine gemütliche Küche mit Blumentöpfen auf der Fensterbank. Martin hegte gar nicht unbedingt die Absicht, in die Fußstapfen seines Onkels zu treten und Junggeselle zu bleiben, überstürzte es jedoch nicht, sich eine eigene Familie zuzulegen, und zog keine seiner Freundinnen für die Rolle der Ehefrau in die engere Wahl. Im Gegenteil: Eine seiner Flammen brauchte nur auf die Idee zu kommen, seine Wohnung hübsch lauschig zu gestalten, sich allzu häufig über den nichtsnutzigen Ehemann zu beklagen oder ihm anlässlich eines Feiertags eine edle Seidenkrawatte zu schenken (ohne Frage ein höchst intimes Accessoire), und Martin beendete die Beziehung rasch und taktvoll.
    Schon gar nicht trug Martin sich mit der Absicht, dem Beispiel zahlloser Männer zu folgen, die sich eine sehr junge Frau suchen, um aus ihr die zukünftige Gattin zu formen. Solche Experimente gelangen nur arrivierten Schriftstellern und ruhmreichen Dirigenten, Geschäftsleuten großen Kalibers und populären

Weitere Kostenlose Bücher