Spektrum
er Martin ansah, flackerte eine verschämte Sehnsucht in seinem Blick.
»Nur Lager. Wir fangen erst im nächsten Monat an, Dunkles zu brauen.«
»Ich liebe helles Bier«, gab sich Martin ohne weiteres zufrieden. »Und der exotische Geschmack stört mich nicht im mindesten.«
Mit der Neugier eines Naturforschers beobachtete der Barmann Martin, als er vorsichtig den ersten Schluck nahm.
»Lecker«, befand Martin nach einigen Sekunden.
Der Barmann zog die Braue hoch.
»Ist die Gerste von hier?«, fragte Martin. »Der Hopfen ist ja, glaube ich, von der Erde …«
Das Gesicht des Barmanns hellte sich ein wenig auf. »Hopfen ernten wir erst in drei Monaten. Wir bauen ihn an, aber die Indianer …« Er winkte ab.
»Fallen sie über die Felder her und brennen die Ernte ab?«, staunte Martin.
»Sie futtern sie weg«, bestätigte der Barmann finster. »Das sind Wilde, verstehen sie? Die kommen in einer großen Horde angeritten … Die Stadt verschonen sie, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Aber auf dem Land … Es will ihnen einfach nicht in den Kopf, dass das, was wächst, jemandem gehören könnte. Sie verstehen nicht, was Landwirtschaft ist.«
Voller Mitgefühl nickte Martin. Das Bier schmeckte zwar nur mittelmäßig, dennoch bekam man dergleichen außerhalb der Erde höchst selten.
»Hier fressen sie was auf, da trampeln sie was nieder …«, fuhr der Barmann mit seinem Lamento fort. »Von den Weizen- und Gerstenfeldern konnten wir sie vertreiben. Die Kartoffeln haben sie nicht entdeckt. Aber den Hopfen, den Mais und die Tomaten haben wir verloren. Jetzt ziehen wir Zäune.«
»Wie sehen die Eingeborenen denn aus?«, fragte Martin. Schweigend wies der Barmann mit einer Kopfbewegung auf jemanden. Martin drehte sich um.
In einer der hinteren Ecken der Bar saß ein Eingeborener. Äußerlich wirkte er fast wie ein Mensch. Gelbhäutig, schlitzäugig und mit langen Haaren, die er zu Zöpfen verflochten trug. Bekleidet war er mit einem leuchtend grünen Sarong und aus Lederriemen geflochtenen Sandalen. Martins Blick nahm der Eingeborene wie ein echter Indianer stoisch hin. Vor ihm standen ein fast leerer Bierkrug und ein paar einfache Knabbereien, die an Chips erinnerten.
»Das ist Jim«, erklärte der Barmann. »Er lebt schon seit Langem bei uns im Haus. Ein guter, ein zivilisierter Indianer. Er hilft in der Wirtschaft, dafür gebe ich ihm zu essen und zu trinken. Wenn etwas schnell irgendwo hingebracht werden muss, wenn etwas geholt oder geliefert werden muss, können wir ebenfalls auf ihn zählen. Von denen drückt sich ohnehin keiner um Arbeit.« Nach kurzem Zögern erklärte er: »Alkohol wirkt bei ihnen ganz normal. Sie stellen sogar selbst … Kumys her. Glauben Sie also nicht, dass wir sie abfüllen.«
»Warum sollte ich das denken?«, verwunderte sich Martin.
»Sie sind kein Amerikaner«, seufzte der Barmann. »Also rattert es bei ihnen gleich los: Da kommen die Amerikaner auf einen fremden Planeten und sofort füllen sie die Indianer ab. Oder etwa nicht?«
»So was kommt schon vor«, lachte Martin. Der Barmann gefiel ihm, nur für die Traurigkeit in seinen Augen vermochte er keine Erklärung zu finden. »Verzeihen Sie, wenn ich so direkt bin, aber haben Sie ein Problem?«
Die Antwort bestand in einem lang gezogenen Seufzer. »Sind Sie denn ein Spezialist für das Lösen von Problemen?«
»Na ja …« Martin ließ den Satz unausgesprochen.
»Also gut«, meinte der Barmann. »Sie scheinen mir ein Mann mit einiger Erfahrung zu sein. In der Nähe gibt es ein Whiskeylager, aber ich selbst kann da nicht hin. Im Lager hat sich die Bande vom Krummen John eingenistet. Bringen Sie mir eine Kiste Whiskey, und ich gebe Ihnen dafür ein sehr nützliches Artefakt.«
»Wie bitte?«, sagte Martin, der spürte, wie hier jemand den Verstand verlor.
»Sie haben mit Computerspielen wohl nichts am Hut«, stellte der Barmann fest. »Ich habe mir einen Scherz erlaubt, guter Mann. Nehmen Sie das bloß nicht für bare Münze. Hier gibt es kein Lager, keinen Whiskey und keinen Krummen John.«
»Aber trotzdem bedrückt Sie doch etwas?« Martin ließ nicht locker, obwohl er den Faden jetzt vollends verloren hatte.
»Ich liebe meine Gäste«, erklärte der Barmann. »Und ich liebe meine Arbeit. Glauben Sie mir das?«
Martin nickte.
»Und sehen Sie, was ich meinen Gästen anbieten muss?«, lamentierte der Barmann. »Das hiesige Bier! Gerstenwhiskey, der überhaupt nicht als Whiskey bezeichnet werden dürfte,
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