Spektrum
muss man auch noch einen weiteren Faktor berücksichtigen, die Fläche des Geländes, auf dem die Station erbaut ist. Eventuell sollte man auch die Anzahl der Stationen auf einem Planeten einbeziehen, ihre Lage zueinander … Außerdem muss man auf weiteren Planeten, ja, sogar auf der Erde nach Ruinen suchen! Wenn es gelänge, einige neue Städte zu entdecken … Na, das können Sie sich bestimmt vorstellen. Insgesamt ein interessantes Thema, es war wirklich anregend, mit Irotschka darüber zu reden, und irgendwie hat es ihr bei uns auch gefallen …«
Gabriel zuckte mit den Schultern.
»Und dann ist sie einfach auf und davon?«, hakte Martin nach.
»Ja. Sie hat gesagt, sie wolle ihre Jugend nicht mit Berechnungen und auf Grabungen verbringen. Sie freue sich aber, wenn sie uns auf eine gute Idee gebracht habe … Ich glaube jedoch, eigentlich war Irina einfach enttäuscht, weil sie sich mit dem Altar … oder mit dem Leuchtturm, wie sie es nannte … getäuscht hat.«
»Mit was für einem Leuchtturm?«
»Also …«, setzte Gabriel schulterzuckend an. »Im zentralen Tempel gibt es normalerweise eine leere Fläche. Man glaubt, dort habe der Altar gestanden, der aus Holz oder einem anderen vergänglichen Material gewesen sein muss. Irina vertrat in diesem Zusammenhang die Hypothese, an dieser Stelle müsse es eigentlich ein hochtechnologisches Aggregat gegeben haben, eine Art stellaren Leuchtturm, an dem sich die Schließer bei ihrer Landung auf einem Planeten orientiert hätten.«
»Aber bislang hat noch niemand solche Aggregate gefunden, oder?«
»Dazu hatte Irina zwei Hypothesen entwickelt«, erwiderte Gabriel. »Die erste zielte darauf, dass der Leuchtturm, nachdem er seine Funktion erfüllt hatte, sich zerstört hätte, ohne dass dabei Spuren zurückblieben. Der zweiten zufolge haben die Schließer ihn heimlich konfisziert. Da es in der Tat eine bestimmte Verbindung zwischen der Lage der Ruinen und den Stationen gibt, war diese Version nicht von vornherein von der Hand zu weisen, selbst wenn sie ausgesprochen phantastisch anmutet. Irina war sich aber sicher, dass das Licht des Leuchtturms Spuren hinterlassen haben müsste, sei es eine induzierte Strahlung, sei es eine Veränderung der Bodenstruktur … irgendetwas halt. Wir haben die Ruinen untersucht, aber keinen Unterschied feststellen können.«
»Das muss doch aber nicht heißen, dass Ira Unrecht hatte«, gab Martin zu bedenken. »Wer weiß, auf welcher technischen Grundlage der Leuchtturm funktioniert haben mag!«
»Natürlich nicht«, stimmte Gabriel ihm ohne weiteres zu. »Aber das Mädchen war am Boden zerstört. Sie hat gesagt, sie brauche unanfechtbare Beweise, und da wir ihr die nicht liefern konnten, bestünde für sie kein Sinn in den Ausgrabungen …«
»Was für Beweise? Und für wen?«
»Das müssen Sie Irina fragen«, antwortete Gabriel achselzuckend. »Sie hat es immer bei Andeutungen belassen, verstehen Sie?«
Über einen ausgefahrenen Feldweg gelangte der Jeep zum Fluss.
Gabriel fuhr auf einen von Stacheldraht gesäumten Parkplatz und stellte den Wagen neben einem riesigen LKW ab. Der Wächter in seinem kleinen Häuschen blickte gelangweilt zu ihnen herüber.
»Morgen früh fahre ich zurück«, sagte Gabriel. »Wenn Sie sich uns doch noch anschließen wollen …«
Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab – das Lächeln eines passionierten Menschen, der von seinen Mitmenschen keinesfalls erwartete, sie müssten seine Leidenschaft teilen.
Was Martin als Nächstes bevorstand, war ebenso dumm wie sinnlos: Er sollte eine Tote unter Lebenden suchen.
In seiner Tasche ruhte der Jeton Irina Poluschkinas. Menschen, die anscheinend vertrauenswürdig waren, behaupteten, sie lebe noch. Darüber hinaus hatte Martin im Laufe seiner Arbeit schon manches erleben müssen. Es gab Menschen, die ihren eigenen Tod inszenierten. Auch das Gegenteil war ihm bekannt: Ein Mensch war seit Langem tot, doch seine Verwandten wollten das nicht glauben und verlangten, die Suche nach ihm nicht einzustellen, wofür sie absurde, aber höchst überzeugende Argumente vorbrachten. Mithin streifte Martin durch die Straßen New Hopes, spähte in Bars und kleine Restaurants, entdeckte zufällig eine Telefonzelle, von der aus er – entzückt vom Fortschritt – im Diligence und im Mustang anrief. Dort war Irina indes nicht aufgetaucht.
Als die Sonne unterging, als entlang der Hauptstraße freundliche, auf altmodisch getrimmte Laternen aufleuchteten,
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