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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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wegschleppen?«
    »Nein«, sagte Martin kopfschüttelnd, »das habe ich nicht vor. Ira, wer war das auf Bibliothek?«
    Die junge Frau lächelte. Triumphierend und verschmitzt, wie ein Kind, das endlich einmal einem Erwachsenen überlegen war.
    »Ich.«
    »Ihre Schwester?«, ließ Martin nicht locker.
    »Nein, ich.«
    »Irotschka«, beschwor Martin sie sanft, »das kann aus einem ganz einfachen Grund nicht sein. Jene Frau, die Ihnen wie ein Ei dem anderen gleicht und sich Irina Poluschkina nennt, ist in meinen Armen gestorben.«
    Das Lächeln kroch ausgesprochen langsam und widerstrebend aus Irinas Gesicht. »Sie lügen.«
    Martin schüttelte den Kopf. »Es hat einen tragischen Unfall gegeben. Ein Angriff von einem Tier.«
    »Ein Angriff von einem Tier? Auf Bibliothek?«, rief Ira mit verständlichem Argwohn. »Sie lügen! Dort …«
    »Die Rasse der Geddarn hat ihre Haustiere mit nach Bibliothek gebracht. Eines ist verwildert und …« Martin verstummte.
    Ira erschauerte. Als fröre sie, schüttelte es sie in den Schultern. Sie linste zu dem kahlen Cowboy hinüber, der mit lebhaftem Interesse dem Gespräch lauschte.
    »Wer ist dann da ermordet worden?«, fragte der Cowboy prompt.
    »Eine junge Frau, die Irina wie ein Ei dem anderem gleicht«, wiederholte Martin. »Ich bestehe nicht darauf, dass Irina zur Erde zurückkehrt. Aber ich möchte gern wissen, was ich ihren Eltern sagen soll. Dass ihre Tochter gesund und munter ist und auf Prärie 2 Bier trinkt? Oder dass sie in den Kanälen von Bibliothek bestattet worden ist und ihr die dortigen Krebse gerade die letzten Knochen blanknagen?«
    Ira zuckte zusammen, als habe sie eine Ohrfeige gekriegt, hüllte sich jedoch nach wie vor in Schweigen.
    »So, so …«, bemerkte dafür der kahle Cowboy in wehmütigem Ton. »Was es doch nicht alles gibt. Ach ja, was es nicht alles gibt im Universum.«
    Martin holte den Jeton aus seiner Tasche und hielt ihn Ira hin. »Der gehört Ihnen. Sie haben ihn im Camp der Archäologen vergessen, im Duschzelt. Anna hat ihn mir mitgegeben.«
    Irina streckte die Hand aus, um den Jeton wortlos an sich zu nehmen.
    »Genau so einer liegt bei mir zuhause«, fügte Martin hinzu. »Ich habe ihn der Leiche jener sterbenden Irina abgenommen. Außerdem habe ich noch ihr silbernes Kreuz an mich genommen. Besitzen Sie auch so eins?«
    Irina schwieg.
    »Verstehen Sie«, nahm Martin sie weiter ins Gebet, »ich habe nicht die Absicht, Sie mit Gewalt irgendwo hinzubringen. Desgleichen lässt mich Ihr Geheimnis kalt. Aber ich habe Sie schon tot gesehen, und jetzt sitzen Sie lebendig vor mir. Außerdem haben Sie noch die Aranker erwähnt. Gibt es auf ihrem Planeten eine weitere Irina Poluschkina?«
    »Ich kann Ihnen nicht vertrauen«, verkündete Irina unnachgiebig. »Entschuldigen Sie, aber all das geht Sie nichts an.«
    »Teilweise schon. Ich habe versprochen, Sie zu finden, habe mein Versprechen aber inzwischen übererfüllt, indem ich Sie zweimal gefunden habe. Das irritiert mich, Irina.«
    »Ich schreibe einen Brief an meine Eltern«, erklärte Irina. »Reicht das? Wenn Sie den meinem Vater geben, bekommen Sie doch Ihr Honorar, oder?«
    »Ich fürchte, mit dieser Antwort speisen Sie mich nicht mehr ab«, gestand Martin. »Ira, Sie haben sich da auf ein gefährliches und seltsames Spiel eingelassen. Versuchen Sie, mir zu vertrauen.«
    »Wie komme ich dazu?«, fragte die Frau scharf. »Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind. Ich weiß nicht einmal, wer … wer dieses Mädchen auf Bibliothek ermordet hat. Soll ich nun einen Brief an meine Eltern schreiben? Etwas anderes werden Sie von mir nämlich nicht bekommen.«
    Martin stieß einen tiefen Seufzer aus. Mit einem Mal verspürte er den brennenden Wunsch, Irina Poluschkina übers Knie zu legen und ihr ein paar Klapse zu geben. Oder sie mit ein paar Ohrfeigen zur Besinnung zu bringen. Martin wunderte sich selbst über seine Aggressivität … Die junge Frau wollte ihr Geheimnis eben nicht lüften, gut. Wer war er denn, darauf zu bestehen?
    »Einverstanden«, sagte Martin, um sämtliche groben und für einem Gentleman unangebrachten Wünsche zu verscheuchen. »Ganz wie Sie wollen, Ira. Schreiben Sie Ihren Brief, danach lasse ich Sie in Ruhe.«
    »Hört sich vernünftig an, was er sagt«, befand der kahle Cowboy. »Du solltest auf ihn hören, Irotschka … Irgendwas stimmt hier nämlich nicht.«
    »Vielen Dank für den Rat«, brachte Ira mit eisiger Stimme hervor. Sie kramte in ihrer auf dem Tisch liegenden Tasche.

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