Spektrum
krachte und dröhnte, bevor dann Stille eintrat.
Erst tauchte nur Martin wieder auf. Seltsam, aber nicht ein Fenster war zu Bruch gegangen.
Und auch der kleine Cowboy war wohlauf. Er saß auf dem Rand des Trogs, baumelte mit den Beinen und lud seinen Revolver nach. Nach Martins Schätzung hatte ihm eine einzige Trommelladung gereicht.
»Er ist stark«, bemerkte Martin lediglich. »Bist du in Ordnung, Ira?«
»Hm«, ließ sich die Frau vernehmen, während sie gerade unterm Tisch hervorkroch. Sie beschwerte sich nicht über die unaufgeforderte Rettung ihrer selbst – was wollte er mehr?
Martin ging zur Tür. »Ich bin’s, Martin!«, rief er dem Cowboy zu, ehe er hinaustrat. »Schieß nicht!«
»Ich schieße sowieso nicht gern«, entgegnete der Cowboy.
Martin trat zum Saloon hinaus und besah sich einen ausgedehnten Moment lang das Schlachtfeld. Der Laternenpfahl war mit Splittern übersät, der Lampenschirm kaputt, was auf natürliche Weise das Geräusch zersplitternden Glases erklärte. Allem zum Trotz leuchtete die Glühbirne immer noch und tauchte die vier blutbeschmierten, reglosen Körper in weißes Licht.
»Stark«, bemerkte Martin bloß. »Du bist in Ordnung?«
»Fast«, erwiderte der Cowboy philosophisch. Anscheinend hatten die vier ihn doch getroffen – und nicht nur einmal –, denn sein ganzer Körper starrte von Blut. Dennoch hielt er sich sicher auf den Beinen, gleichsam als sei aller Fusel aus ihm heraus. Sich traurig umblickend, bemerkte der Cowboy: »Nur ändert das alles rein gar nichts … Es werden andere kommen.«
Martin war sich unschlüssig, was er tun sollte. Bei dem Mann handelte es sich um einen Verbrecher, auch wenn Martin nicht wusste, wessen er sich schuldig gemacht hatte, und keinen Auftrag zu seiner Verhaftung besaß.
»Du musst den Planeten verlassen«, riet er ihm.
»Klare Sache«, pflichtete ihm der Cowboy bei, während er aus seinem wildledernen Hemd einen feinen Splitter zog. »Haben Sie mich also doch noch erwischt …«
Hinter Martin tauchte Irina auf. Aufkreischend lief sie schnellen Schrittes auf den Cowboy zu.
»Wir müssen Sie verbinden …«
»Bleib mir vom Hals, Mädchen …«, ermahnte der Cowboy sie, doch Irina hatte aus ihrer Tasche bereits ein Verbandspäckchen herausgekramt. Eine vorausschauende junge Frau. Seufzend fragte sich Martin, ob sie nach diesem Vorfall ihre bisherige Meinung ändern würde. Wohl kaum. Vermutlich würde sie ihren Weg nun gemeinsam mit dem kleinen Cowboy fortsetzen. Mädchen in ihrem Alter liebten Romantik.
In ebendiesem Moment trat ein weiterer Mann aus der Dunkelheit heraus. Er war mittelgroß, nicht gerade ein Recke, wirkte eher intelligent, hielt jedoch ebenfalls einen Revolver in der Hand.
»Du wirst nirgendwo hingehen«, stellte er leise klar, während er auf den Cowboy zielte.
»Auch du?«, fragte der Cowboy irgendwie bestürzt. Offenbar kannten sie sich.
»Auch ich«, bestätigte der Intelligente und drückte den Abzug.
Nunmehr überschlugen sich die Ereignisse.
Der kahle Cowboy wand sich gekonnt los, zog den Revolver und schoss. Die Kugeln des Kopfgeldjägers rissen ihm bereits den Körper auf. Obgleich Martin sah, wie vom Rücken des Cowboys Blutflatschen wegspritzten, feuerte dieser weiter. Zwischen diese beiden Kontrahenten stürzte sich, die Arme ausgebreitet, Irina: »Nicht schießen!«, schrie sie.
Martin schaffte es nicht einmal mehr, von seinem Karabiner Gebrauch zu machen, so schnell und überraschend kam das alles. Als er endlich anlegte, gab es bereits kein Ziel mehr.
Der Cowboy und Irina lagen nebeneinander. Der intelligent wirkende Kopfgeldjäger fand sich etwas abseits, an der Grenze zwischen Licht und Dunkel.
»Mist, verfluchter …«, knurrte Martin, während er zu Irina rannte.
Die Frau war tot, genauer gesagt, sie starb just in diesem Moment. Drei Kugeln waren in ihren Rücken eingedrungen, zwei in ihre Brust. Auf ihren Lippen perlte Blut, aus ihren Augen kroch langsam das Leben. Das Gefühl, ein Deja-vu zu erleben, war derart übermächtig, dass Martin sogar davor zurückschreckte, Irina zu berühren. Deshalb beugte er sich über den Cowboy. Der lebte noch. Traurig und verhärmt blickte er Martin an, flüsterte ihm etwas zu. Martin bückte sich, hielt den Kopf des Sterbenden und vernahm dessen Frage: »Hab ich … hab ich das Mädchen getroffen?«
»Nein«, log Martin, ohne mit der Wimper zu zucken. »Das war der Jäger.«
In den Augen des Cowboys schimmerte fraglos Erleichterung auf.
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