Spektrum
was soll bloß die Bevölkerung von all dem halten … Gott verhüte, dass es bei uns jetzt mit dem ganzen Cowboy-Kram losgeht! Verfluchtes Hollywood!«
Martin nickte.
»Aber mit dem Mädel hast du dich getäuscht, was?«, hakte der Sheriff nach. »Du hast gesagt, sie ist auf Bibliothek gestorben …«
In seiner Anspannung ließ Martin sich bei der Antwort von Gefühlen und Wut leiten. »Von wegen, ich habe mich getäuscht! Vor fünfzehn Jahren hat sich ihr Vater von seiner Frau scheiden lassen, die beiden Zwillingsschwestern haben sie unter sich aufgeteilt. Eine Tochter für den Herrn Papa, eine für die Frau Mama.«
»Dammich!«
»Sie haben den Mädchen noch nicht einmal gesagt, dass sie Zwillinge sind«, fuhr Martin inspiriert fort. »Was passiert dann? Die beiden erfahren voneinander, treffen sich, freunden sich an … und beschließen, ihre Eltern zu bestrafen. Die Mädchen sind klug, ihre Pläne ambitioniert … Alle Geheimnisse des Universums wollen sie enthüllen. Eine machte sich nach Bibliothek auf, um die Inschriften der Obelisken zu decodieren, die andere nach Prärie, um in den Ruinen zu graben. Eine Woche später wollten sie sich in einer dritten Welt wieder treffen.«
»Was für Optimistinnen …«, bemerkte der Sheriff.
»Kann man wohl sagen«, meinte Martin nickend. »Ich habe den Eindruck, das Schicksal der Mädchen stand unter einem bösen Stern. Die eine hat ein wild gewordenes Tier ermordet, die andere eine fehlgeschlagene Kugel.«
»Es gibt Leute, die sollten die Erde nicht verlassen«, stimmte ihm der Sheriff zu. »Herrgott … Ich beneide dich nicht, Kumpel.«
»Wenn ich mir vorstelle, was ich den Eltern erzählen muss, beneide ich mich auch nicht«, wehklagte Martin.
Die nächsten Minuten tranken sie schweigend Kaffee, dann beförderte der Sheriff eine Flasche zutage und goss ein paar Schluck Whiskey in kleine Silberbecher. »Eigene Herstellung …«, stellte er nicht ohne Stolz klar.
Kurzum, sie trennten sich fast als Freunde. Martin vergaß die paar in der Nacht erhaltenen Ohrfeigen, Glenn erwähnte mit keiner Silbe die von Martin im Eifer des Gefechts abgegeben Drohungen. Martin erhielt seine Sachen zurück, der Sheriff erbot sich sogar, ihn ins Hotel zu begleiten, damit Martin ohne jedes Geplänkel das Geld für das im Voraus bezahlte Zimmer erstattet wurde. Martin winkte ab und verzichtete.
Als Martin bereits hinausgehen wollte, unterbreitete ihm der Sheriff quasi nebenbei das Angebot, ihn zur Station bringen zu lassen – sein Gehilfe würde nämlich rein zufällig in diese Richtung fahren. Dankbar ging Martin darauf ein. Die beiden drückten sich die Hände und nahmen Abschied, miteinander vollauf zufrieden.
Niemand bat Martin, Briefe mit zur Erde zu nehmen. Hier vertraute man nur auf das eigene Postsystem. Dafür verkaufte man ihm mit Vergnügen die Kräuter, aus denen man hier das Gegenstück zum Tee aufbrühte, und dachte nicht einmal daran, den Export zu besteuern. Die Handelsfreiheit galt ihnen eben als sakrosankt.
Selbstredend spekulierte Martin darüber, in welchen Würden der Sheriff eigentlich stand, welchem Amt er eigentlich diente, denn um das Recht, die amerikanischen Kolonien zu kontrollieren, fochten die CIA, NSA und das FBI. Es wäre indes kaum angeraten, eine solche Frage zu stellen, schon gar nicht, wenn der Fragesteller ein Privatdetektiv war, der bereits bei einer weit einfacheren Aufgabe eine Niederlage hatte hinnehmen müssen.
Sollten die Amerikaner, da sie nun einmal damit begonnen hatten, getrost weiterhin so tun, als ob die Kolonie auf Prärie 2 vollständige Unabhängigkeit genieße und auf eigene Faust handle. Schließlich gab es auch einige Kolonien, in denen die russische Bevölkerung überwog. Selbst wenn es für sie weiß Gott nicht so gut lief, dürfte sich auch dort ein ansehnlicher Teil der Bevölkerung das eine oder andere Sternchen an die Jacke heften.
Der tüchtige Landrover brachte Martin in einer halben Stunde zur Station. Nach wie vor weidete in der Nähe eine Herde, nur der Hütejunge, der den aufmerksamen Blick nicht von ihr ließ, war ein anderer. Ob sie alle inoffizielle Helfer oder so etwas wie ein Zirkel »Junge Freunde des Sheriffs« waren?
»Wenn die Eltern des Mädels das Grab besuchen wollen«, sagte der kräftige Mann, den der Sheriff als Fahrer Martins abgestellt hatte, »würden wir uns freuen, sie bei uns begrüßen zu können.«
Obschon das zynisch klag, nahm Martin keinen Anstoß daran. Dem Mann war der Tod der
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