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Sphaerenmusik

Sphaerenmusik

Titel: Sphaerenmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarete Friedrich
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Panik auszubrechen.
    Sie hatte Glück. Als sie den Weg am Wildbach verließ, sah sie Laternenschein und hörte aufg eregte Stimmen. Es waren Elisabeth, Jeff und Eve, die den Abhang herunterkletterten.
    Elisabeth umarmte Silvia mit Tränen in den A ugen. „Dass du nur wieder da bist!“, stammelte sie aufgeregt. „Wie kannst du uns nur solch einen Schrecken einjagen? Jetzt ist es schon bald zehn Uhr. Ich bin vor zwei Stunden mit Pam nach Hause gekommen, und du warst nicht da. Wir haben gewartet und gewartet, schließlich haben wir uns aufgemacht, dich zu suchen. Dabei hast du mir so fest versprochen, nichts allein zu unternehmen.“
    „Verzeih, Tante Lissy...“, wollte sich Silvia en tschuldigen.
    „Verzeih?“, rief Elisabeth aus. „Ich habe dir nichts zu verzeihen. Aber hast du einmal daran g edacht, was ich deinen Eltern sagen soll, wenn dir unter meiner Obhut etwas passiert?“ Elisabeth konnte sich noch immer nicht beruhigen. „Erst die Aufregung mit Mary und dann mit dir!“
    Erstaunt fragte Silvia: „Wieso mit Mary? Was ist mit ihr?“
    „Ach so, das kannst du ja noch nicht wissen. Ellen erzählte es mir bei unserer Rückkehr. Mary ist beim Schrubben der Küche ohnmächtig geworden.“
    „Ist sie krank?“
    „Krank? Ja, so kann man es natürlich auch nennen“, erwiderte Elisabeth spöttisch. "Ihre Eltern werden uns die Schuld daran geben, weil wir nicht genug aufgepasst haben. Die halten uns Amerikaner sowieso für zu leichtlebig. Nur gut, dass Mary wenigstens Ellen eingestanden hat, wer's war.“
    „Ich versteh kein Wort“, erklärte Silvia.
    „Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Sie bekommt ein Kind, ist schon im fünften Monat, und wir haben nichts bemerkt! Und weißt du auch von wem? Von einem Geist in einem Umgang und Schlapphut!“
    „Aber Tante Lissy, das ist unmöglich“, rief Si lvia erstaunt aus, da sie an das verwüstete Gesicht des Unbekannten dachte.
    „Unmöglich?“, wiederholte die Tante. „Kind, ich verstehe ja deine Enttäuschung, dass sich dein romantischer Phantomgeiger als ein simpler Ba uernbursche entpuppt. Er hat sich als Phantomgeiger nur vermummt, um sich zur Mitternachtsstunde im Pavillon ungestört mit Mary treffen zu können.“
    Etwas spöttisch fügte Elisabeth hinzu: „Und du hast ihn genauso wie die anderen für einen Geist gehalten.“
    Beschämt senkte Silvia den Kopf, dann fiel ihr etwas ein. „Und die Geige?“, rief sie. „Hat er auch Geige gespielt?“
    Die Tante lachte: „Wahrscheinlich nicht! Wie soll er auch? Hier spielen die Bauernburschen höchstens den Dudelsack.“
    „Das arme Ding!“, sagte Silvia mitleidig. „Was soll nun aus ihr werden?“
    Elisabeth zuckte die Achseln. „Was schon! Wir werden sie trotzdem behalten. Ich werde auf ihren Freund einwirken, dass er sie heiratet, und wenn er das nicht tut, kann Mary auch nach ihrer Entbi ndung bei uns bleiben.“
    Sie waren inzwischen vor dem Schloss ang ekommen. „Tante Lissy, du bis ein Schatz!“, rief Silvia aus, ehe sie durch die Halle lief und die Treppe hinaufstürmte.
    In ihrem Schlafzimmer betrachtete Silvia vor dem Spiegel ihren Hals, der deutlich rote Würg emale aufwies. Bestimmt würde ihre Tante bei der Abendbeleuchtung diese Flecken entdecken und sie danach fragen. Sollte sie ihr die Wahrheit sagen, auch warum Onkel John gestürzt war?
    Nein, entschloss sie sich, es war besser, ihr alles vorläufig zu verschweigen, nachdem sie an diesem Tag schon so viele Aufregungen gehabt hatte. S obald Onkel John wieder da war, wollte sie ihm alles erzählen.
    Sie suchte unter ihren Kleidern, dann holte sie ein dunkelblaues ärmelloses Kleid hervor, das am Hals einen Stehkragen besaß. Kritisch betrachtete sie sich im Spiegel, die Flecken waren tatsächlich verdeckt.
    Es war Nacht. Silvia lag noch hellwach in ihrem Bett, da wehten wieder die Geigentöne durch das offene Fenster, schmeichelten sich in ihr Ohr, hüllten sie ein und erzählten ihr von einer unerfüllten Liebe. Himmlische Geigenmusik. Sphärenmusik, dachte sie und stand auf.
    Sie blickte aus dem Fenster zum West-Tower hinauf. Da sah sie ihn deutlich im Licht des Mo ndes an der Brüstung stehen, erkannte seinen Umhang und den tief ins Gesicht gezogenen Schlapphut. Diesmal aber erblickte sie auch die Geige, über die er unermüdlich seinen Bogen führte.
    Sie kniff die Augen zusammen, das Bild blieb. Sie wusste nicht mehr, was sie glauben und denken sollte. War es der Geist von Pierre, oder war es Marys Freund? Sie konnte

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