Sphaerenmusik
es sich nicht vorstellen, dass dieser Bursche mit dem Phantomgeiger vom Wildbach identisch sein sollte. Ach, dachte sie, wenn doch nur Peter hier sein könnte! Er würde den Gespenstern schon zu Leibe rü cken.
Plötzlich vernahm sie Motorengeräusch, in dem der Klang der Geige erstarb. Mikes Wagen schoss den Zufahrtsweg hinauf. Schnell zog sich Silvia vom Fenster zurück.
Am nächsten Morgen kam sich Silvia wie gerädert vor. Alle Knochen taten ihr weh. Sie hatte eigentlich keine Lust aufzustehen, raffte sich aber dann doch dazu auf. Um sich aufzumuntern, wollte sie ein Liedchen trällern, brachte aber nur ein heiseres Krächzen zustande. Erst jetzt bemerkte sie, dass auch ihr Hals noch immer schmerzte. Als sie ihn vor dem Spiegel näher untersuchte, entdeckte sie, dass der Hals geschwollen war und die Flecken eine blaurote Farbe angenommen hatten.
Ihr ganzes gestriges, beinahe tödliches Abente uer kam ihr wieder voll zum Bewusstsein, und sie fragte sich von neuem erschauernd, wer der Täter wohl gewesen sein könnte.
Eins stand für sie fest, dass er sich in der Umg ebung gut auskennen musste, sonst hätte er sie nicht ungesehen beobachten können. Und er musste sie beobachtet und den Schatz in ihren Händen gesehen haben, ehe er sie überfiel. Jedenfalls blieb ihr wieder nichts anderes übrig, als nochmals das hochgeschlossene Kleid anzuziehen.
Auf dem Weg nach unten kreisten ihre Geda nken erneut um den Überfall. Warum war Mike so lange fortgeblieben? Konnte er nicht früher heimlich zurückgekommen sein und sie von der Höhle aus beobachtet haben? Hätte er dann aber so leise herunterklettern können, dass sie ihn nicht hörte? Ihr fiel auf einmal der Sohn der Köchin ein. Wenn auch seine Mutter behauptete, er würde sie nie selten besuchen, konnte er nicht ohne ihr Wissen hierher gekommen sein, um nach dem Schatz zu suchen? Er kannte bestimmt hier viele Verstecke und brauchte vielleicht auch dringend Geld.
Sie seufzte. Jedenfalls war der Ha rleigh-Schmuck mit Ausnahme des Armbandes sowieso für sie unwiederbringlich verloren und damit das einzige Vermächtnis ihres Vaters. Den Täter würde man kaum mehr entlarven können, da dieser sicherlich mit dem Schmuck bereits über alle Berge war.
Beinahe wäre Silvia in der Halle mit Joan z usammengestoßen. „Geht es Ihnen nicht gut, Miss Silvia?“, fragte die Wirtschafterin.
Die junge Frau fuhr zusammen. Sah sie so schlecht aus? Sie sah Joan an, doch dann erschrak sie nochmals, weil es ihr schien, als wenn die A ugen der anderen so merkwürdig wissend ihren Hals betrachteten. Sollte sie etwa...? Silvias Augen wanderten zu Joans Händen hinunter.
Diese waren schmal und lang und machten einen kräftigen Eindruck. Ein Schauder rann über ihren Rücken, und sie antwortete hastig: „Ich habe nur etwas Kopfschmerzen.“ Sie wandte sich um und riss die Tür zum Esszi mmer auf.
Mike sprang sofort auf, als sie eintrat. Er schien sehr gut aufgelegt zu sein. „Heut so zugeknöpft, schöne Kusine?“, fragte er. „Bei diesem herrlichen Sommerwe tter?“
Misstrauisch sah sie ihn an, denn seine Stimme kam ihr spöttisch vor, dann antwortete sie schni ppisch: „Du bist ja sehr heiter, Mike. „Also, geht es deiner Mutter wieder besser.“
Aus seinem Gesicht verschwand die Heiterkeit und machte einer Trauermiene Platz. „Leider nicht, Silvi“, antwortete er. „Ich glaube, man muss mit dem Schlimmsten rechnen. Deshalb muss ich euch heute schon wieder verlassen. Ich habe meine S achen bereits gepackt.
„Es kommt immer alles zusammen“, sagte El isabeth. „Erst muss John ins Krankenhaus und nun muss auch Mike fort.“
„Es tut mir selbst leid“, murmelte Mike.
Silvia dachte noch immer über den jähen Wechsel seines Gesichtsausdrucks nach. Wenn die Mutter auf den Tod daniederliegt, benimmt man sich da nicht etwas anders? Wollte er nur deshalb fortfahren, weil er hier sein Ziel erreicht hatte?
Plötzlich fiel Silvia auf, dass Pamela am Frü hstückstisch fehlte. „Wo bleibt Pam?“, fragte sie erstaunt.
„Pam hat wieder Zehnschmerzen“, erwiderte Elis abeth, „und wollte noch etwas im Bett bleiben.“
„Ich dachte, der Zahn ist ihr gestern plombiert wo rden?“
„Das schon, aber der Zahnarzt meinte gleich, dass sie noch nachträglich etwas Schmerzen haben könnte.“
Als Silvia den Essraum verlassen wollte, wurde sie von Mike zurückgehalten: „Silvi, warum weichst du mir immer aus? Bin ich dir so zuwider?“
Überrascht blickte ihn Silvia an.
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