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Solidarität, dass gemeinsame Absprachen eine Grundvoraussetzung für gute Arbeit im Kabinett sind."
Ursula von der Leyens Verhalten erscheint ihr rücksichtslos. Sie hofft, dass sich langfristig ihr Weg bewähren wird. Schröder ist jung, sie ist 34 Jahre alt und erst seit zwei Jahren im Amt. Für jemanden, der so neu ist, ist es notwendig, sich an die Regeln zu halten. Nur wer diese Regeln gut kennt, kann sie auch brechen. Doch noch sieht Schröder keinen Grund dazu, wirklich schwer war es für sie in ihrer Karriere bislang nicht. Meistens ist sie das geworden, was sie werden wollte.
Ursula von der Leyen nicht. Nach einer Amtszeit als Familienministerin wollte sie ins Gesundheitsressort wechseln. Merkel ließ sie nicht. Sie wollte EU-Kommissarin werden. Merkel ließ sie nicht. Als Franz Josef Jung seinen Stuhl als Arbeitsminister räumen musste, bekam sie sein Ressort. Doch als Horst Köhler als Bundespräsident aufgab, ließ von der Leyen Ambitionen erkennen. Merkel ließ sie nicht.
Von der Leyen setzte den Kita-Ausbau über ihre Ressortgrenzen, über Bund-Länder-Grenzen hinweg durch. Das hat sie berühmt gemacht. Jetzt fordert sie ein Gesetz zur Frauenquote und stößt damit die Familienministerin, auch die Kanzlerin vor den Kopf. Im Sommer vorigen Jahres widersprach sie Angela Merkel, als sie forderte, Rettungskredite nur noch an EU-Länder zu geben, die diese mit Goldreserven oder Staatseigentum absichern können.
Von der Leyen sieht sich nicht mehr in der Pflicht, sich an die Regeln, die sie oben anstoßen lassen, zu halten. Die Loyalität der jungen Frauen hat sie hinter sich gelassen. Sie übernimmt die Taktiken der Männer, die in der Vergangenheit erfolgreich waren. Auch Angela Merkel hat das so gemacht. Beide Frauen bestimmen die Regeln des Spiels jetzt selbst.
In Kabinettskreisen ist bekannt, dass Annette Schavan diese Unabhängigkeit der Arbeitsministerin missbilligt. Es erzürnt sie, wenn deren Alleingänge als mutig gelobt werden. Schavan ist keine junge Frau mehr, in ihrer Karriere hat sie sich schon viele Male durchgesetzt. Aber sie hat es anders gemacht als von der Leyen.
Wenn man mit Annette Schavan über die Frauen im Kabinett redet, hält sie ihre Worte vage, doch man weiß, wer gemeint ist. "Es gibt in der Politik den Typus, der seine politische Geschichte vor allem mit Themen verknüpft", sagt Annette Schavan. Sie sitzt in ihrem Ministerbüro in Berlin. Sie meint sich selbst. "Und es gibt den Typus, der seine politische Geschichte stärker mit seiner Person in Verbindung bringt." Sie meint Ursula von der Leyen. "Beide Typen", sagt die Ministerin, "werden in der Politik gebraucht."
Seit Schavan im Amt ist, beschäftigt sie sich mit dem Fachkräftemangel. Jetzt tritt im April ein Gesetz in Kraft, das es ausländischen Experten erleichtert, ins Land zu kommen. Sie brachte vor wenigen Monaten die Union dazu, die Hauptschule abzuschaffen, obwohl gerade ihr Heimatverband Baden-Württemberg viel von dieser Schulform hält. Bewirkt hat sie all das im Hintergrund, in Gesprächen mit ihren Gegnern. Schavan ist eine erfolgreiche Ministerin. Ihre Erfolge aber sieht man kaum.
Ihr Themengebiet, sagt Schavan, eigne sich nicht für eine Inszenierung in kurzen, medientauglichen Sequenzen. Sie sagt: "Mit dem Versuch, Klischees zu bedienen, beschäftige ich mich nicht mehr."
Morgens, wenn sie einen Kabinettskollegen in Radio oder Fernsehen darüber reden hört, was die Kanzlerin eigentlich später am Tag sagen will, macht sie sich gern darüber lustig. Sie sagt dann, da könne jemand wieder nicht an einem Mikrofon vorbeigehen. Mikrofone umgeht Annette Schavan weiträumig.
Wie viele andere Frauen empfindet Schavan eine Abneigung gegen das Gerangel um Deutungshoheit und Einfluss. Für Schavan ist dieser Teil des Spiels um die Macht falsch, anbiedernd. Eine schmutzige Arbeit. Sie will allein um der Sache willen kämpfen. Sie ist ja der Typus der Themen.
Auf die Frage, wie wichtig ihr Macht sei, hat Alice Schwarzer 2006 in einem Interview gesagt: "Macht an sich ist doch vollkommen uninteressant!" Wichtig sei allein, wozu man seine Macht nutze. Doch bereits als Volontärin habe sie gemerkt, dass es wichtig sei, eine Position zu erreichen, in der einen mittelmäßige Leute nicht bevormunden können.
Wie keine andere kämpft Ursula von der Leyen dagegen, von der Mittelmäßigkeit überholt zu werden. Und dafür macht sie gern auch schmutzige Arbeit.
Kristina Schröder erlebte bereits, wie eine lächelnde
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