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SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Mascolo
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Supereuropäer, alle würden Deutschland lieben – aber es wäre, ehrlich gesagt, für die Deutschen ein Risiko, das an Wahnsinn grenzt."
    Wenn ihn Politiker dieser Tage um Rat fragen, schlägt Rogoff vor, mit dem Schuldenschnitt so schnell wie möglich zu beginnen, und auch diese Lösung würde sehr teuer. Um die betroffenen Länder nicht einfach in den Abgrund zu stoßen, müsste Europa – und vorneweg Deutschland – eine Formel finden, wie mit den Bankrotteuren umzugehen sei.
    Rogoff könnte sich vorstellen, dass die Europäer die Schulden der Zentralregierung eines Landes garantieren, aber nur diese. Das hieße im Fall Irlands, dass die Garantien für die Banken nicht übernommen würden. Es hieße im Fall Spaniens, dass die immensen Schulden seiner Kommunen, Barcelonas etwa, das Problem Spaniens blieben. Es hieße im Fall Griechenlands, dass die nötigsten Aufwendungen des Staates bezahlt würden, aber auch nicht mehr.
    Es hieße, dass Europa sehr schweren Zeiten entgegenginge. "Das ist das Problem der großen Krisen", sagt Kenneth Rogoff, "sie zeugen am Ende wesentlich mehr Verlierer als Gewinner."
    Das ist das Szenario des amerikanischen Finanzkrisenforschers, europäische Politiker wie Jacques Delors halten an ihrer Vision vom großen Europa fest. Dass die Euro-Zone auseinanderbricht, im Großen und Ganzen, kann sich Jacques Delors, der Gründervater des modernen Europa, nicht vorstellen. "Es wäre zu teuer, ich denke, dass dieses Risiko niemand eingehen will." Europa sei eine moralische Verpflichtung, die Politiker unserer Zeit hätten das anscheinend vergessen. "Sie rennen herum wie planlose Feuerwehrleute, und sie glauben immer noch, alle Feuer löschen zu können." Es brauchte dafür aber eine starke Zentrale in Brüssel, sagt Delors, die den Einsatz koordiniert, es brauchte neue, robuste Institutionen.
    Der Euro-Romantiker Jacques Delors, der Schuldenhändler Mohamed El-Erian, der Weltökonom Kenneth Rogoff, sie haben einen ganz unterschiedlichen Blick auf die europäische Krise. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, die in dieser Woche über die Ausweitung des Rettungsschirms für den Euro abstimmen, müssen zwischen diesen Blickwinkeln und einem halben Dutzend anderer entscheiden.
    Den Austritt Griechenlands, Portugals und Irlands aus dem Euro empfiehlt der große Spekulant und Hedgefondsmanager George Soros. Euro-Bonds und noch mehr Staatsverschuldung schlägt der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz vor. Verschuldung ohne Austritt oder mit Austritt, einen europäischen Finanzminister oder gleich eine europäische Wirtschaftsregierung – Vorschläge zur Lösung der Euro-Krise fliegen durch die Luft, sie sind inzwischen nur noch Ausdruck der Ratlosigkeit von Ökonomen und Politikern. Es gibt kein Vorbild für diese Krise und kein Rezept, das man übernehmen könnte. Europas Politiker haben sich und ihre Völker in eine beispiellose Lage manövriert, die manchen von ihnen mehr Angst macht als ihren Wählern – weil Politiker schon wissen, was die Wähler noch nicht mal ahnen.
    Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags müssen an diesem Donnerstag in zweiter und dritter Lesung über eine vergleichsweise simple Sache abstimmen. Das "Gesetz zur Änderung der Gesetze zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus" regelt, dass die Bundesrepublik – wenn Länder der Euro-Zone in finanziellen Schwierigkeiten sind – zukünftig mit 211 Milliarden Euro haftet statt wie bisher mit 123 Milliarden. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit" sei "nicht mit einer Inanspruchnahme zu rechnen", steht in der Einführung des Gesetzes.
    Und da wird die Sache für einige Abgeordnete – vor allem der Regierungskoalition – kompliziert. Was sie hören von Experten wie Rogoff, El-Erian und anderen, was sie in der Zeitung lesen über Griechenland, lässt sie nicht daran glauben. Mit ihrer Zustimmung würden sie ein weiteres Tor zur Transferunion aufstoßen, argumentieren sie, und was dann komme, wisse niemand. Auch den Abgeordneten, die zustimmen wollen, ist nicht klar, wohin diese Politik der immer neuen Krisenprogramme und Rettungsschirme letztendlich führt. "Auf Sicht fahren" nennt die Kanzlerin diese Nebelpolitik.
    Am Ende werden nur zwei Möglichkeiten bleiben: eine Transferunion, in der die starken Länder für die schwachen zahlen; oder eine geschrumpfte Währungsunion, ein Kern-Euro-Land gewissermaßen, dem nur einigermaßen vergleichbare Volkswirtschaften

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