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versammelt, deren Testosteron-Gehalt sie beherrschen kann. Bezeichnet ihr Kanzleramtschef Ronald Pofalla das Gesicht eines Abgeordneten als "Fresse", hat nicht mehr der Abgeordnete ein Problem, sondern Pofalla. Die Regeln des Spiels um die Macht haben sich verändert. Zugunsten der Frauen. Sechs sitzen nun im Kabinett, die Kanzlerin und fünf Ministerinnen: Ursula von der Leyen (Arbeit), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Justiz), Ilse Aigner (Verbraucherschutz), Kristina Schröder (Familie), Annette Schavan (Bildung).
Es ist mehr Raum, mehr Selbstverständlichkeit für die Politikerinnen entstanden. Sie können jetzt zeigen, wozu sie in der Lage sind. Sie können zeigen, wohin sie mit ihrer Macht gehen möchten. Wie regieren die Ministerinnen? Wie sieht es aus, das Spiel der Frauen?
Drei Ministerinnen fallen besonders auf: Ursula von der Leyen, die als Arbeitsministerin kraftvoll nach oben strebt; Kristina Schröder, die als Familienministerin viel Kritik einstecken muss; und Annette Schavan, die als Bildungsministerin wenig wahrnehmbar ist.
Von der Leyen und Kristina Schröder ringen seit Jahren um die Deutungshoheit in der Frauen- und Familienpolitik. Es geht um die Quote und um Hartz IV für Kinder. In Wahrheit geht es aber vor allem um den Kampf zweier Überzeugungen. Es geht darum, welche Regeln für Frauen im Spiel um die Macht gelten. Annette Schavan führt ihr Amt ruhig, beinahe zurückgezogen. Sie sagt: "Man wird an seinen Leistungen gemessen." Schavan scheut das Ringen um Einfluss in der Öffentlichkeit. Sie versucht seit Jahren, sich den Regeln des Spiels zu entziehen.
Jede der drei Ministerinnen reklamiert für sich einen eigenen Stil, Politik zu machen. Alle drei sind bisher damit auf ihre Art erfolgreich gewesen. Welcher der drei Wege aber ist auf lange Sicht erfolgreich? Welcher kann ganz nach oben führen?
Es ist der 17. Oktober 2011. An diesem Tag möchte Familienministerin Kristina Schröder verkünden, dass die deutschen Dax-30-Unternehmen sich einverstanden zeigen, selbstgewählte Frauenquoten einzuführen. Für Schröder soll dieser Tag ein Erfolg werden. Er muss es. Auch, weil das Kanzleramt wieder angerufen hat.
Kanzleramtschef Ronald Pofalla bat Schröder um zwei Dinge. Erstens: Sie solle die FDP nicht allzu sehr vergrätzen. Die Liberalen lehnen jede Art von gesetzlichem Zwang in der Quotenfrage ab. Mit Schröders freiwilliger Verpflichtung aber könnten sie leben. Zweitens: Aus ebendiesem Grund solle Schröder es vermeiden, an diesem Tag das Wort "Gesetz" allzu häufig zu erwähnen.
Auch Ursula von der Leyen ist beim Treffen der Dax-30-Unternehmen dabei. Die Arbeitsministerin ist für eine gesetzliche Quote. Auch sie hat einen Anruf aus dem Kanzleramt erhalten. Sie muss beschlossen haben, ihn zu ignorieren.
Frühmorgens steht Ursula von der Leyen im Studio des ZDF. Den Blick auf die Moderatorin gerichtet, benutzt sie das Wort "Gesetz" in wenigen Minuten ein Dutzend Mal. Sie sagt: "Ich bin der Überzeugung, wir brauchen ein Gesetz zur Frauenquote." Und: "Ein Gesetz muss klare Ziele haben. Sonst braucht man kein Gesetz." Nach dem Gespräch hat man den Eindruck, Schröder ist das Dummchen, das sich von der Wirtschaft verschaukeln lässt. Und von der Leyen die Ministerin, die sich durchsetzen will.
Von der Leyen kümmert sich nicht darum, ob sie ihrer Nachfolgerin schadet. Sie will Erfolge produzieren. Sie beherrscht das Spiel um die Macht, sie folgt der Logik ihres eigenen Vorankommens. Manche sagen, so handle ein Mann. Männer waren in der Vergangenheit das erfolgreiche Geschlecht.
Kristina Schröder hält sich an politische Übereinkünfte. Seit sie von Angela Merkel im November 2009 ins Amt berufen wurde, folgt sie der Parteilinie, dem Koalitionsbeschluss, den Wünschen Merkels. Sie nimmt dafür in Kauf, widersprüchliche Positionen einzunehmen. Das Betreuungsgeld für Hausfrauen steht im direkten Gegensatz zu dem Ziel, Frauen schneller zurück in den Beruf zu bringen. Doch es ist Koalitionsbeschluss, deswegen verteidigt sie es.
Letztes Wochenende, erzählt Kristina Schröder, habe sie über das Bravsein nachgedacht. Es ist Anfang Dezember in Berlin, die Ministerin sitzt in ihrem Büro. In den vergangenen Wochen hagelte es Kritik. Für das Betreuungsgeld, die Extremismusklausel im Kampf gegen rechts. Sie habe also darüber nachgedacht, was es heiße, als zu wenig angriffslustig, als zu konform zu gelten.
Was ist dabei herausgekommen?
"Ich glaube fest daran, dass
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