SPIEGEL E-Book: Deutschland, Deine Reichen: Wer sind sie - und warum so viele? (German Edition)
könnten, sozusagen "the Good, the Bad and the Ugly" des großen Vermögens-Monopoly.
Da sind die besonders großen Wohltäter oder Rebellen, dann die besonders Bösen wie der frühere Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel und schließlich die absurden Reichtumskarikaturen, die auf RTL oder Vox halbseidene Millionärs-Dokus bevölkern dürfen.
Keine dieser drei Gruppen ist für die hiesige Vermögenspyramide wirklich exemplarisch. Alle spielen aber dennoch eine große Rolle.
Einfach, weil sie Geschichten liefern und mit ihren Geschichten in den Medien präsent sind.
Typisch für deutsches Geld ist viel eher das Pärchen, das sich in einem alten VW Golf so unauffällig der Sylter Top-Immobilie näherte, dass selbst der Makler zunächst wegschaute. Dann kauften sie das Objekt aber doch schnell. Für zwölf Millionen. Auf Sylt gibt's ja kaum noch ein Dixi-Klo unter einer Million.
Typisch ist auch der Besitzer jenes schmeißfliegen-metallicgrünen Porsche Cayenne S mit Rüdesheimer Nummernschild, der auf seiner Heckklappe einen "Atomkraft? Nein danke!"-Aufkleber spazieren fährt. Einfach, weil dieses politische Statement mit germanischer Gründlichkeit schlechtes Gewissen, Nachhaltigkeitssehnsucht und Statusbewusstsein zugleich demonstriert.
Und typisch sind vor allem jene, die sich für völlig untypisch halten. Die Rede ist von der Unterschicht der Oberschicht. Denn die Elite des obersten Prozents der deutschen Bevölkerung beginnt heute bereits bei einem Bruttojahreseinkommen von rund 120 000 Euro.
Für eine alleinerziehende Mutter, die ihre drei Kinder mit zwei Aushilfsjobs ernähren muss, ist das eine atemberaubend hohe Summe. Menschen in dieser Einkommenskategorie halten sich indes für vieles, aber selten für Elite. Sie müssen ihr Haus abzahlen, den SUV oder das Auslandsstudium der Kinder. Reich?
Das sind immer die anderen: die mittelständischen Unternehmen etwa. Hunderte Weltmarktführer, die kaum einer kennt. Otto Bock aus Duderstadt setzt mit Prothesen 580 Millionen Euro jährlich um. In Bad Waldsee sitzt die Hymer AG, die mit Wohnmobilen rund 790 Millionen macht – und, und …
Der Hotelier Dietmar Müller-Elmau passt überraschenderweise in viele Schubladen. Er ist Unternehmer, Gründer und Erbe zugleich. Für lange Zeit war er schwarzes Schaf und schließlich letzte Hoffnung seiner Familie. Ein Traditionalist und Neureicher in Personalunion – und das alles auf eine doch sehr, sehr deutsche Weise.
Müller-Elmaus Großvater, ein kulturprotestantisch verstrahlter Wanderprediger, hatte das Schlosshotel im Talkessel hinter Garmisch 1916 eröffnet, finanziert von einer ihm zugetanen Gräfin. Weil er nicht das Geld hatte, auch noch Angestellte zu bezahlen, wurden die höheren Töchter der eigenen Gäste saisonweise als "Helferinnen" rekrutiert, was man heute wohl eine Win-win-Situation nennen würde.
Schloss Elmau hatte überschaubare Kosten und dank der Praktikantinnen aus gutem Haus schnell den Ruf weg, das kultivierteste und vor allem attraktivste Personal im ganzen Land zu haben. Die jungen Damen der Gesellschaft konnten fernab von zu Hause ein Netz aus Bekanntschaften knüpfen, lernten aber offenbar auch alle Schattierungen des Begriffs "Dienst am Kunden" kennen.
Für viele Gäste wurde das Schloss so eine Art Heiratsmarkt, den man auch als intellektuell verbrämten Eskortservice missverstehen konnte, wenn sich abends beim Quadrille-Tanz wieder Jung und Alt näherkamen. Dietmar Müller-Elmau hat diese Melange aus schwüler Bigotterie, blasierter Scheinheiligkeit und Standesdünkel früh verachten gelernt, diesen verhängnisvoll antizivilisatorischen Imperativ des deutschen Bildungsbürgertums.
"Ich habe hier permanent Sabotage betrieben", erinnert er sich an seine Jugend, als er gern mal pünktlich zu abendlichen Konzerten die Sicherungen rausschraubte. "Hier mussten alle im Gemeinsinn denken. Ich habe es so gehasst."
Nach dem Abitur entfloh er der Enge der Familie. "Und ich wollte niemals zurückkehren." Erst zog er nach München zum Studium, dann in die USA, wo er zwei Jahre lang unter anderem Computerwissenschaften studierte, bevor er ein weiteres Jahr in Indien verbrachte.
Mitte der achtziger Jahre stand er "mit nichts auf der Straße", hatte Schulden, eine Scheidung zu verkraften und drei Kinder zu versorgen.
Trotzdem war ihm Freiheit wichtiger als Geld: Das einzige Bewerbungsgespräch seines Lebens, daran erinnert er sich genau, fand 1984 bei CompuNet statt.
"Was wollen
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