SPIEGEL E-Book: Deutschland, Deine Reichen: Wer sind sie - und warum so viele? (German Edition)
ihrer Firma, umso freundlicher werden die Stimmen dann wieder.
SPIEGEL: Auch wenn es den Deutschen im internationalen Vergleich sehr gut geht, werden doch auch hierzulande viele Ungerechtigkeiten wahrgenommen.
Oetker: Die Akzeptanz der Marktwirtschaft erodiert, das beobachte ich auch. Und ich halte das für fatal, denn sie ist nun mal das System, das mit seinem Wettbewerbsgedanken im sozialen Kontext den größten Fortschritt für alle verspricht. Oder will irgendjemand in eine Planwirtschaft zurück? Wir schauen voller Argwohn auf den Finanzkapitalismus britischer und amerikanischer Prägung, der Exzesse provoziert, ohne den wir aber auch nicht mehr auskämen.
SPIEGEL: Sie gehören zu den reichsten Unternehmern des Landes. Die werden nun mal immer reicher.
Oetker: Ich sehe mich selbst nicht in dieser Liga. Viele Menschen haben während der Finanzkrise auch große Summen verloren. Und 2011 hat Deutschland einen allgemeinen Wertzuwachs erlebt, von dem am Ende alle profitieren. Im Übrigen definiere ich Reichtum nicht nur finanziell. Es gibt auch einen Reichtum an Wissen.
SPIEGEL: Bei den unteren Schichten kommt von allem weniger an.
Oetker: Die soziale Gesetzgebung in Deutschland ist so ausgefeilt, dass ich nicht das Gefühl habe, größere Teile der Bevölkerung würden vom Wohlstand abgeschnitten oder wirklich in Armut leben. Es mag Einzelfälle geben, auch Orte, auch ländliche Regionen, die Probleme haben. Mein Verständnis von sozialer Marktwirtschaft ist, dass wir alle in einem Boot sitzen – Regierung und Gewerkschaften, Arbeitnehmer und -geber. Wirtschaft so zu steuern, dass jeder einen gerechten Teil des Kuchens bekommt, ist ein permanenter Verhandlungsprozess, aber in Deutschland auch ein immer noch gut funktionierender. Natürlich hat Vermögen etwas mit der Herkunft und Verwendung von Mitteln zu tun, aber eben auch mit unternehmerischem Geschick. Meine Maxime war immer: "Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!"
SPIEGEL: Man müsste nicht bis zu Goethe zurückblättern. Im Grundgesetz heißt es in Artikel 14 wunderbar schlicht: "Eigentum verpflichtet."
Oetker: Eine gute Formulierung. Da muss jetzt auch mal der Begriff "Mittelstand" fallen, dem die Bundesrepublik einen Großteil ihres Wohlstands verdankt. Das entspricht auch meinem Selbstverständnis: dass ich als Familienunternehmer in der Mitte der Gesellschaft stehe. Und dass ich dort immer auch Verantwortung trage – wirtschaftlich, politisch, sozial und kulturell. Ich empfinde mich da durchaus auch als Treuhänder zwischen den Generationen.
SPIEGEL: Obwohl Sie in keinem Reichen-Ranking auftauchen, dürften Sie längst Milliardär sein angesichts von Beteiligungen am Marmeladenladen Schwartau, dem Saatguthersteller KWS und vielen anderen Firmen. Zugleich sollen Sie von Steuerschlupflöchern profitiert haben, weil ein Großteil Ihrer Geschäfte über eine Schweizer Holding gesteuert wird.
Oetker: Ich bin und bleibe deutscher Steuerzahler. Da passt Bundesfinanzminister Schäuble schon auf. Aber natürlich versuche ich, meine steuerlichen Abgaben zu optimieren. Das wird in regelmäßigen Betriebsprüfungen genau kontrolliert, inklusive meines privaten Bereichs.
SPIEGEL: Würden Sie höhere Steuern akzeptieren, etwa auf Spitzeneinkommen, Erbschaften oder Kapitalgeschäfte?
Oetker: Nein. Ich bin kein Anhänger solcher Initiativen und finde durchaus, dass die Steuern für Unternehmer in Deutschland hoch genug sind. Man kann darüber hinaus ja auch auf freiwilliger Basis viel Gutes tun.
SPIEGEL: Sie sind unter anderem Präsident des Stifterverbandes. Warum haben ausgerechnet Sie keine eigene Stiftung?
Oetker: Das stimmt nicht: Ich habe viele gemeinnützige Stiftungen mit anderen gegründet, nur tragen die nicht meinen Namen. Es macht mir Freude zu sehen, wie viel dann für die Projekte in Forschung, Bildung und Kultur zusammenkommt.
SPIEGEL: Selbst Fußballer und TV-Sternchen gründen heute Stiftungen.
Oetker: Das ist doch wunderbar! Auch wenn manche Projekte eher mit Eitelkeit und Selbstvermarktung zu tun haben, fließt doch immer auch Geld in sinnvolle Projekte. Zum Beispiel stiften die aus dem Streben nach Bedeutung heraus erbauten Geschlechtertürme in San Gimignano oder die Kirchtürme in Lübeck heute noch Werte für die Gesellschaft.
SPIEGEL: Stiftern wird in Deutschland gern vorgeworfen, dass sie entweder Steuern sparen oder ihre Hobbys finanzieren wollen.
Oetker:
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