SPIEGEL E-Book: Deutschland, Deine Reichen: Wer sind sie - und warum so viele? (German Edition)
Wenn jemand, der sein Kind verloren hat, medizinische Forschung mit Hilfe einer Stiftung fördern möchte, halte ich das für naheliegend und völlig legitim. Da finden Eigeninteresse und Gemeinwohl im besten Sinne zusammen. Und steuerliche Anreize fördern nun mal auch die Großzügigkeit.
SPIEGEL: Wie schauen die Bundesbürger auf Reichtum?
Oetker: Sie achten schon auf den Lebensstil. Reiche, die was auf sich halten, zeigen den Reichtum wenig. Die Bundesrepublik ist ein Autoland, also wird zuerst geschaut: Was für ein Auto fährt jemand? Die Zahl der Rolls-Royce im Land hält sich ja in Grenzen.
SPIEGEL: Was fahren Sie?
Oetker: Ich habe nichts Protziges. Neuerdings testen wir einen Elektro-Smart. Man muss ja mitreden können. Ich bin auch sehr gern im Zug unterwegs.
SPIEGEL: Haben es Ihre Kinder schwerer oder leichter aufgrund des Reichtums?
Oetker: Beides. Natürlich werden ihnen manche Dinge leichter gemacht. Vielleicht werden sie manchmal bevorzugt. Es ist egal, wie ich das finde, denn es ist nicht zu ändern. Andererseits werden sie auch besonders kritisch beäugt oder wurden zum Beispiel in der Schule gehänselt. Mein jüngster Sohn war gerade wochenlang mit rumpeligen Bussen in Südamerika unterwegs. Ein anderer hat Sozialdienst gemacht in einem Kreuzberger Kindergarten. Betriebswirt ist bisher keiner dabei. Vielleicht kommt das noch.
Von Markus Dettmer,
Katrin Elger,
Martin U. Müller und
Thomas Tuma
Trio infernale
Die bekanntesten Vertreter deutschen Wohlstands sind zugleich die untypischen.
Station 1
Die buntesten Seiten des Kapitalismus
Wie ein Süßwarenhersteller Glamour zu Geld macht. Weshalb ein Kölner Proll-Pärchen TV-Erfolge feiert. Und was das alles für das Image der Reichen im Land bedeutet.
Hermann Bühlbecker steht vor einer Wand mit Fotos. "Ist das nicht toll?", fragt der Chef des Aachener Gebäckherstellers Lambertz. Die Bilder zeigen ihn mit Prinz Charles, mit Bill Clinton, Boris Becker und, und, und … Meistens überreicht Hermann Bühlbecker eine Keksdose, manchmal schüttelt er nur die Hand eines Reichen oder Mächtigen.
"Wir sind bei den ganz Großen mit dabei", sagt er. Mit "wir" meint er sich und seine Printen, Dominosteine und Lebkuchen, für die er den Sprung in die Welt des Glamours gewagt hat. Das "manager magazin" schätzt sein Vermögen auf 150 Millionen Euro. Solche Summen geben manche Maschinenbauer aus dem Schwäbischen jedes Jahr für ihre Entwicklungsabteilung aus – nur würde denen weder George Bush noch Bill Gates auf die Schulter klopfen.
"Man muss sich schon etwas einfallen lassen, damit man für solche Leute interessant ist", sagt der Unternehmer. Vor kurzem fand anlässlich der Kölner Süßwarenmesse wieder seine alljährliche "Monday Night"-Party statt, auf der Models mit nichts als Mozartkugeln behängt auf dem Laufsteg posieren. In diesen Momenten ist er Hermann I., der Kekskönig – und zugleich eine Karikatur deutschen Reichtums, wie es natürlich noch andere gibt.
Ute Ohoven etwa, Generalkonsulin des Senegal, laut Klatschspalten "Charity-Lady" und hauptberuflich Gattin eines umstrittenen Fondsverkäufers. Oder Wolfgang Grupp, Besitzer des Burladinger Trikotagenherstellers Trigema, mit dem Talkshow-Redaktionen gern die Rolle Spätkapitalist / Unternehmer (Unterabteilung: schlicht, klar, gestrig) besetzen.
Bühlbecker spielt in diesem Ensemble eher die Gastrolle des in die Jahre gekommenen Märchenprinzen. Für den Boulevard inszeniert er eine Opulenz, die mit der Realität seines Unternehmerdaseins so viel zu tun hat wie König Ludwig II. einst mit der Sozialdemokratie.
In seiner Firmenzentrale dominieren nicht Brokat und Blattgold, sondern Noppenboden und vergilbte Lamellenjalousien. Als Bühlbecker gerade erzählt, wie er Ivana Trump zu ihrer Hochzeit eine drei Meter hohe Torte samt vergoldeten Engelsflügeln schickte, feudelt eine Putzfrau mit Kopftuch herein. "Kann ich mal?", fragt sie und fängt an, eine Falttür aus Plastik aufzuziehen, die als Raumteiler dient. "Ja, ja, kein Problem", sagt Bühlbecker freundlich.
Wie das alles zusammenpasst? "Ich sehe da keinen Widerspruch", sagt er. Er gibt den Lebemann ja nicht zum Spaß. "Im Unternehmen läge es mir vollkommen fern zu protzen. Aber die Außendarstellung der Marke muss hochwertig sein." Seine Pressereferentin nickt. "Manche glauben, wenn sie die Models mit den Designerkleidern aus Schokolade sehen, das hätte etwas mit Oberflächlichkeit zu tun", sagt sie. "Die
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