Spiegelblut
zuvorkommende Verhalten eines Blutmädchens. Ich habe keine Lust, dich zu bannen, wenn wir dich vorbereiten. Ein Bann kostet mich durchaus Energie. Und die ganzen Tricks hier haben mich schon genug geschwächt, verstanden?«
Ich nickte stakkatohaft.
»Gut, denn wenn du Ärger machst, breche ich dir nach dem Test jeden Knochen einzeln, lasse ihn heilen und breche ihn dir erneut.«
Ich glaubte es ihm aufs Wort und beobachtete mit Grauen, wie Raven ein Seil vor mich legte wie eine tödliche Nulllinie. Ich wusste nicht, was ich mehr fürchten sollte: den Test an sich oder die Zeit danach. Sie würden beide von mir trinken. Damontez hatte gesagt, selbst er wäre kaum in der Lage, sich zu kontrollieren, wenn mein Blut seine volle Kraft hätte. Und das würde es hinterher vermutlich haben – sollte ich den Test überleben.
»Knie dich auf den Strick und setz dich auf deine Fersen«, befahl Raven harsch. Sein Ton duldete keinen Widerspruch und meine Knochen waren mir heilig, trotzdem zögerte ich. Hoffte ich immer noch auf Rettung? Aber keiner wusste, wo ich war! Als ich nicht sofort gehorchte, packte mich Draca am Arm und brachte mich eigenhändig in die gewünschte Position.
»Gefällig und zuvorkommend«, zischte er. »Das gilt auch für später, mein Herz. Ganz besonders für später.« Er lachte anzüglich, als stünde ich bereits nackt vor ihm. In dem Augenblick wünschte ich mir, der Test würde niemals enden.
»Der Test wird mich töten!«, machte ich dennoch den schwachen Versuch, meine Haut zu retten. »Das ist es doch, was Faylin will.«
Die Vampire sagten nichts und innerhalb weniger Sekunden lag der erste Strick um meine Handgelenke. Draca prüfte den Sitz so akribisch, wie Damontez den Blutschutz kontrolliert hatte.
Wenn er es nur gewesen wäre, der mich fesselte und mir meine Sinne nahm. Mein Herz brannte bei dem Gedanken, dass ich sterben würde, ohne ihn noch einmal zu sehen.
Ich zerrte an der Fessel und kam zu der traurigen Erkenntnis, dass sie perfekter saß als ein Maßanzug.
Das Adrenalin in meinen Adern trieb mein Herz an wie einen Kolben. Ich würde sterben, so oder so. Während des Tests oder hinterher, egal ob durch ihre Hand oder durch die von Faylin.
»Beug den Oberkörper nach vorn und leg deine Stirn auf den Boden.«
Ich musste die Knie ein wenig öffnen, um ganz hinunterzukommen. Der Grund war kalt und krautig. Die Illusion ließ nach.
Draca zog mir meine Stiefel aus und band meine Füße zusammen. Der Lederstrick schnitt sich in meine Fesseln und schmerzte an den Knöcheln. Ich wollte protestieren, in dem Augenblick schob er einen weiteren Strick durch die Handfessel und zog ihn zu den Füßen hinunter. Meine Schultergelenke stachen, als er das Seil, das Hände und Füße zusammenband, stramm zog und verknotete.
Ich spürte einen leichten Ruck an dem breiten Strick unter mir. Raven hatte ihn ein Stück nach hinten geschoben und spannte ihn jetzt an den Seiten über meinen Rücken nach oben. Das war der Moment, den ich mit am meisten gefürchtet hatte. Absolute Bewegungslosigkeit. Mein Herz pulste bis in die Fingerspitzen, irgendwo staute sich das Blut, meine linke Hand kribbelte. Er zurrte den Strick fester als einen Pferdesattel. Pferde blähen sich gewöhnlich auf, damit der Gurt hinterher lockerer sitzt. Ich tat gar nichts. Ich atmete weiter, aber es war mühselig, mein Brustkorb fühlte sich an wie eine Orange in der Saftpresse, zusammengequetscht von Körper und Fessel.
Jetzt kam der unmenschlichste Teil. Horror wanderte durch jede Zelle meines Verstandes. Meine Füße brannten heiß vor Angst.
»Dreh den Kopf zur Seite!«
Ich wandte mein Gesicht in Dracas Richtung. Meine Haare lagen davor wie ein Fächer.
Nein, nein, nein, bitte, bitte, bitte …
Im nächsten Moment hatte ich schon die komischen Ohrstöpsel bis zum Anschlag im Gehörgang.
Dracas Hand schwebte über meinem Kopf, nahm die Strähnen aus dem Blickfeld. Er bewegte die Lippen, sagte etwas, doch ich konnte es nicht hören. Raven kniete sich neben ihn und zusammen sprachen sie mit mir, über mich und lachten in einer Art, die mir das Grauen versprach. Ganz kurz dachte ich an den Nachtschatten. Keine Angst in den Sekunden des Todes. Aber so viel Angst davor. Draca zog die Augenbinde auseinander und sorgte dafür, dass ich sie sah. Mein Herz hämmerte wie wild.
»Blind wie Finan!« Diesmal konnte ich die Worte von Dracas Lippen ablesen. Er sprach sie mehrmals und überdeutlich. Danach wurde es dunkel. Laut
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