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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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wichen Nebelbänken. Schwarze Hengste mit brennenden Mähnen galoppierten panisch auf mich zu. Ich hob den Kopf, die Augenbinde war wie durch Zauberhand verschwunden, aber ich selbst nach wie vor gefesselt. Ich kam nicht weg. Die Herde preschte näher, würde mich komplett überrennen.
    Fang die Pferde ein, Damontez, verdammt, wieso hast du die Pferde losgelassen … du wolltest doch kommen … wo bist du denn?
    Schweiß rann über mein Gesicht, ich war völlig durchnässt oder kniete ich in einem See? Der Meeresspiegel ist die natürliche Grenze der Engelkräfte …
    Ich ruckte an meinen Handgelenken. Der erste Hengst bäumte sich vor mir auf, seine Hufe verfehlten nur haarscharf meinen Kopf. Ich presste mich gegen den Boden und wimmerte vor Angst. Aus den Augenwinkeln sah ich den toten Blick des Rappen. Nur noch das Weiße im Auge war zu erkennen. Die anderen Tiere tänzelten um mich herum wie Geisterpferde. Die zuckenden Nüstern sprühten Schaum auf mein Gesicht. Als ich vorsichtig nach oben schaute, entdeckte ich den Reiter, der auf dem vordersten Hengst thronte wie ein Kriegsgott. Mit den bloßen Händen schlug er die Flammenmähne aus.
    Ohne ihn je wirklich länger gesehen zu haben, erkannte ich ihn. Faylin!
    »Du denkst, du halluzinierst?«, fragte er mich von oben herab. Er hielt ein Zepter in der Hand, einen goldenen Stab, auf dem eine leuchtend rote Sonnenkrone prangte.
    Er sah genauso aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte: das Gesicht nichtssagend, weder schön noch hässlich. Ein Gesicht, das man vergaß, sobald man es nicht mehr vor sich hatte. Dafür war er geschmückt wie ein eitler Pfau. Er trug ein Halstuch, eines mit lächerlichen, kleinen Sonnen darauf.
    »Ich bin in einem Test. Deinem Test«, antwortete ich. Meine Stimme war klar. Das Einzige, was mir an seiner Gestalt Angst machte, waren seine Augen. Sie schienen ebenso tot wie die des Pferdes. Sie besaßen kein Augenweiß, sondern waren komplett orangerot.
    »Der Spiegelbluttest, ja. Er dient nicht dazu, eine Spiegelseele zu überführen. Er soll sie töten.«
    »Deine Lakaien überwachen mich. Der Test wird mich nicht umbringen.«
    Das Pferd schlug mit den Hufen in meine Richtung. Faylin zwang es zurück und senkte sein Zepter zu mir nieder, als würde er gleich verlangen, dass ich es küsste, um meine Unterwürfigkeit zu demonstrieren.
    »Sie denken, du halluzinierst. Aber in Wahrheit gehst du bereits jetzt Schritt für Schritt der Großen Göttin der Schatten entgegen. Einem Spiegelblut die Sinne zu nehmen, ist eine einfache Art, es zu töten. Sobald es die erste Verbundenheit zu den Himmelsmächten hat, kann es nicht mehr ohne sie leben. Der Verlust der Sinne – und so auch der Engelsinne – bewirkt eine Art Kurzschluss in deinem Körper. Dein Herz wird stillstehen! Draca und Raven werden warten und warten, um dich mächtiger und mächtiger zu machen. Nicht ganz uneigennützig natürlich. Aber plötzlich – puff – vorbei. Von jetzt auf gleich, wie die Menschen so schön sagen.« Sein schmallippiger Mund verzog sich zu einem irren Lächeln.
    Ich keuchte entsetzt auf. Bildete ich mir dieses Gespräch ein oder geschah all das wirklich? War es Teil meiner Halluzination oder Teil einer Wahrheit, die man nur in der Stille fand?
    »Eine Halluzination kann durchaus auch die Wahrheit beinhalten.« Faylin nahm das Zepter und bekreuzigte mich damit. »Was passiert, wenn ein Mensch in der Stille halluziniert? Seine Nervenbahnen spielen verrückt, schießen Impulse kreuz und quer durch das Gehirn. Du kannst tatsächlich nur das in deiner Halluzination sehen, was du kennst. Wieso sollte dein Geist nicht zufällig Dinge logisch verknüpfen, die er zuvor einfach nicht wahrgenommen hat?«
    Der Test wird mich töten.
    Ich wollte die Worte schreien, aber ich schluchzte nur lautlos auf.
    »Du hattest doch vorher schon Angst, dass du bei dem Test sterben könntest, nicht wahr?« Er klang plötzlich so mitfühlend, dass sich mein Magen umstülpte. »Sie werden annehmen, es sei Teil der Halluzination. Und wenn nicht …«
    »Draca!« Diesmal schrie ich auf, ich spürte es, weil meine Kehle brannte, als leckte ein Feuer an meinen Schleimhäuten.
    »Hast du dich nie gefragt, wer ich wirklich bin?« Faylin maß mich mit einem schrägen Blick aus seinen trüb-orangefarbenen Augen.
    »Hast du den Engel getötet, bist du der Eine?«
    Er lehnte sich mir von dem Pferderücken entgegen. Seine aschbraunen Haare waren gegelt und schmierig. »Was glaubst du?«
    Ich

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