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Spiegelkind (German Edition)

Spiegelkind (German Edition)

Titel: Spiegelkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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beschert, die beladen mit lärmenden Freaks in unsere friedliche Straße einbrachen.
    »Irgendwann werden diese Züge abgeschafft«, hatte mir mein Vater daraufhin versprochen, was mich ungemein beruhigte.
    »Und wie sollen die Menschen dann zu den Behörden ins Zentrum gelangen oder zu ihren Freunden in die anderen Viertel?«, hatte sich meine Mutter eingemischt und ich hatte sofort gewusst, gleich gibt es wieder Streit.
    »Mit dem Privatauto«, hatte mein Vater knapp geantwortet. Meine Mutter hatte nichts mehr gesagt. Sie hatte keinen Führerschein, aber das hatte mich damals nicht gekümmert. Ich war einfach nur froh gewesen, dass diesmal kein schwerer Gegenstand über meinen Kopf geflogen war.
    Ich sah mich nicht um, obwohl ich wusste, dass meine Großmutter mir aus dem Fenster nachstarrte. Ich ging schnell. Ingrid sollte nicht auf die Idee kommen, mich aufzuhalten. Ich vergaß immer wieder, dass ich inzwischen einen halben Kopf größer war als sie und es nicht mehr so leicht war, mich an irgendwas zu hindern. Ich rannte durch die Pfützen und die Nässe kroch durch meine Turnschuhe. Das Polizeirevier war nicht weit, es lag an der Kreuzung Siebte Straße, Ecke Zwölfte. Das Gebäude war ein Flachbau und wie alle Behörden in einem Mintgrün gestrichen, das mich entfernt an das Klopapier aus der Fabrik meines Vaters erinnerte. Ich klopfte an eine Glastür, die mit einem leisen Summen zur Seite fuhr und mich hereinließ. Feuchtwarme Luft schwappte mir entgegen.
    Als ich noch im Betreuungscenter im Juniorland gewesen war – für sehr kurze Zeit, denn meine Mutter hatte mich bald wieder abgemeldet –, hatten wir einen Ausflug zu diesem Revier gemacht. Ein Polizist hatte uns ein paar Räume gezeigt und gesagt, die Polizei sei hauptsächlich da, um Kindern wie uns zu helfen, wenn sie sich verlaufen hatten. Ich hatte ihm sofort geglaubt, weil er mit seinem breiten lächelnden Gesicht so hilfsbereit ausgesehen hatte.
    Der Mann, der jetzt am Empfang saß, war jung, dünn und blass. Vielleicht war er gar nicht so viel älter als ich und sein Schnurrbart sollte ihn kompetenter wirken lassen. Er war eindeutig nicht derjenige, der meine Gruppe damals herumgeführt hatte.
    Er sah mir fragend entgegen. Ich kam näher, räusperte mich und nannte meinen Namen.
    Er sah mich weiter an.
    Ich sagte, ich käme wegen eines Verbrechens.
    Er rührte sich nicht.
    Ich sagte, meine Mutter sei entführt worden.
    Er guckte mich so starr an, dass ich anfing, an seiner Lebendigkeit zu zweifeln. In der Schule hatten wir im Technikunterricht einfache Roboter gebaut, vielleicht war dieser Mann ein etwas veraltetes Modell.
    Ich hielt ihm das Armband mit meiner Nummer hin. Er wachte endlich auf. Nachdem er die Nummer mit seinem Gerät eingescannt hatte, las er die Zeilen auf seinem Bildschirm mehrmals gründlich durch. Wie erhofft, war er beeindruckt. Ab und zu sah er zu mir rüber und ich nickte bestätigend: Jawohl, ich besuche das Lyzeum. Genau das, was Sie sich für Ihre Kinder später bestimmt nicht leisten können, außer Sie strengen sich ein bisschen an und bringen es hier zu etwas. Genau, das hätten Sie eigentlich gleich an meiner Schuluniform erkennen können.
    Ich hatte sie noch an, obwohl ich mich sonst sofort umzog, sobald ich nach Hause kam. Viele meiner Mitschüler trugen auch in ihrer Freizeit die schwarzen Lyzeumskleider, ganz nach dem Motto unseres Schulleiters: »Ein Lyzeist ist man immer oder nie!«
    Ich sah hochnäsig zu dem jungen Polizisten rüber, der an dem mageren Bärtchen über seiner Oberlippe zupfte.
    Plötzlich drehte er sich abrupt in seinem Bürostuhl, stand auf und verschwand hinter einer Milchglastür.
    Ich blieb, wo ich war. Was hätte ich auch sonst machen sollen.
    Es öffnete sich eine Seitentür und heraus kam der Beamte, den ich sofort wiedererkannte: Er war nach Mamas Verschwinden bei uns zu Hause gewesen, der kleine Dicke mit der schweinsrosa Glatze. Ihm musste ich mich nicht mehr vorstellen.
    »Juliane Rettemi!«, rief er freudestrahlend, als wäre ich seine verschollene Jugendliebe. »Wie wunderbar, dass Sie vorbeigekommen sind!«
    Er nahm mich am Ellbogen und bugsierte mich um Ecken und durch Türen in sein Büro. Ich ließ ihn, obwohl ich inzwischen gar nicht mehr überzeugt davon war, dass es eine gute Idee gewesen war, hierherzukommen.
    Er gab mir einen leichten Schubs und ich stürzte in einen weichen und tiefen Sessel und sah von unten zu ihm hoch. Endlich überragte er mich und das gefiel ihm

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