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Spiegelkind (German Edition)

Spiegelkind (German Edition)

Titel: Spiegelkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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und ließ sich nicht vertreiben. Dienste einer Phee … existenziell benötigen … Abhängigkeitsverhältnis, das viele Pheen nicht überleben … Die Töchter der Pheen … fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit …
    Entweder es war ein Auszug aus einem ziemlich merkwürdigen Märchen. Oder es entsprach der Wahrheit. Dann bedeutete es, dass ich mich genauso gut vor den nächsten Schulbus werfen könnte, denn so richtig viel hatte ich von meinem Leben nicht mehr zu erwarten.
    Ich sah Ksü an. Wenn schon alles zusammenbrach, würde mir auch kein Zacken aus der Krone fallen, etwas nachzuholen.
    »Ksü«, sagte ich. »Danke schön.«
    »Wofür?« Sie schaufelte schon wieder Essen in sich hinein, als hätte sie seit mehreren Wochen gehungert.
    »Für die Suchmaschine«, sagte ich. »Für Mister Cortex.«
    »Aber du hast doch gar keine Zeit gehabt, was zu lesen.«
    »Neun Zeilen«, sagte ich. »Die habe ich lesen können.«
    »Na ja«, sagte Ksü. »Manchmal sind neun Zeilen wichtiger als hundert Bücher.«
    Sie fragte mich nicht, was in den neun Zeilen gestanden hatte, und ich sagte es ihr auch nicht. Ich hatte das Gefühl, die Zeilen waren nur für mich bestimmt gewesen. Auf einmal wusste ich, was mein Vater gemeint hatte: Mund halten. Dann geht die Gefahr vielleicht vorüber.
    Ich hatte bloß das Gefühl, das würde sie nicht tun.
    Ksü blickte mich schräg von der Seite an. »Du siehst so aus, als würdest du unbedingt weiterlesen wollen. Und hier ist das vielleicht wirklich nicht die beste Idee. Wir sind beide so tollpatschig und dann fliegen wir noch vorzeitig von der Schule.«
    »Was heißt vorzeitig? Ich will gar nicht fliegen, ich will meinen Abschluss. Ich will später einen guten Job«, sagte ich matt, als würde ich immer noch von dem ausgehen, was noch vor ein paar Tagen eine Selbstverständlichkeit gewesen war.
    »Braves Mädchen«, sagte Ksü augenzwinkernd.
    »Wenn ich trotzdem weitersuchen dürfte …«, sagte ich. »Dann könntest du dir so ziemlich alles von mir wünschen, was dir so einfällt.«
    »Ooh, das ist ein Angebot.« Ksü schob ihren leeren Teller weg und nahm sich den nächsten vom Buffet. Es gab Pasta mit Meeresfrüchten. Sie krauste die Stirn, was ihre Tätowierung merkwürdig lebendig erscheinen ließ. »Was könnte ich denn von dir haben?«
    Ich überlegte. »Gute Frage.«
    »Willst du mit zu mir nach Hause kommen und in Ruhe weiterlesen?« Ksü betrachtete die Miesmuschel auf dem Zacken ihrer Gabel.
    »Mmmh.« Ich sah in meinen Teller. Ich hatte kein Gefühl für die Situation. Ich hatte noch nie eine Mitschülerin einfach so zu Hause besucht. Das war nicht üblich. Es reichte normalerweise, dass wir uns hier im Lyzeum sahen. Außerdem gab es in allen normalen Vierteln genug Cafés und Jugendzentren. Ab zwölf galt es als angesagt, sich dort mit Gleichaltrigen zu treffen. Nur an Geburtstagen war ich schon einmal bei Mitschülern zu Hause gewesen, aber auch das war eher die Ausnahme, denn die meisten Eltern richteten die Feste lieber auswärts aus.
    »Ist es deinen Eltern recht?«, fragte ich.
    »Ach«, sagte Ksü. »Ich bin schon ein ziemlich großes Mädchen. Muss nicht mehr bei jedem Pups um Erlaubnis bitten.«
    Ich beschloss, das nicht persönlich zu nehmen. »Willst du aber vielleicht trotzdem zuerst fragen? Fremde Leute im Haus, das mag nicht jeder.« Genauer gesagt, mochte das niemand.
    »Mach dir da mal keine Sorgen. Kannst heute nach der Schule gleich zu mir kommen. Wenn du willst.«
    »Wirklich?«
    »Mein Gott, ich biete dir doch kein Attentat auf den Schulleiter an. Komm oder komm nicht, aber mach nicht so viel Aufhebens drum«, sagte Ksü ungeduldig.
    »Na gut«, sagte ich. »Es ist nur …«
    Ich wollte »nicht sehr üblich« sagen, aber dann dachte ich, dass es Ksü vielleicht verletzen könnte, weil sie so offensichtlich anders sozialisiert war, und entschied mich stattdessen für »sehr nett von dir«.
    Ich komme auf einer Lichtung an. Sehe ein Haus, alt, weiß und schief. Auf der Veranda liegt eine Babyrassel. Die Tür ist angelehnt. Drinnen herrscht Stille, die plötzlich von einem leisen Wimmern unterbrochen wird. Obwohl etwas in mir flüstert, dass ich nicht reingehen soll, ist der Drang stärker. Ich mache die Tür auf.

Das blaue Moped
    Ich hatte beschlossen, nach der Schule nicht mehr heimzugehen, sondern mich eine Stunde in der Schule rumzudrücken, bevor ich dann zu Ksü fuhr. Ich wusste nur nicht, wie ich hinkommen sollte. Ksü hatte gesagt, dass sie in der Nähe

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