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Spiegelkind (German Edition)

Spiegelkind (German Edition)

Titel: Spiegelkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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Alles wunderbar, kein Problem.«
    Wir gingen hinter das Schulgebäude, wo einige Senioren ihre Motorräder parkten. Ksü steuerte selbstsicher auf den Parkplatz zu und blieb an einem Gefährt stehen, das nicht nur wegen seiner himmelblauen Farbe seltsam aussah.
    Ich tauchte aus meinen Gedanken auf. »Hast du etwa ein Moped? Ein eigenes Moped?« Ich war unangenehm überrascht und in mir regte sich so etwas wie Neid. Wenn andere Mitschüler Ksü mit dem Teil gesehen hätten, würde ich um meine Rolle als ihre Patin vielleicht sogar beneidet werden, dachte ich plötzlich bitter.
    »Klar.« Ksü löste das Schloss, nahm einen runden roten Helm vom Lenker und warf ihn mir zu. »Setz ihn mal auf.«
    »Und du?«
    »Mir kann nicht mehr viel passieren.« Ksü klopfte mit der Faust auf ihre Schlange und ich zuckte unwillkürlich zurück, denn ich bildete mir gerade ein, die Schlange züngeln gesehen zu haben.
    »Aber ist das nicht verboten? Ohne Helm zu fahren?«
    »Total verboten.« Sie nahm den roten Helm aus meinen Händen und stülpte ihn mir kurzerhand über. Alles wurde sofort leise und sogar langsam. Ich fühlte mich wie ein Fisch im Aquarium. Das tat gut, ich hätte meinen Kopf längst in ein Wasserglas stecken und ungestört meinen Gedanken an die Stimme meiner Mutter nachhängen sollen.
    Es passte zu Ksü, dass ihr Moped in der Reihe der glänzenden Gefährte auffiel. Es sah nicht cool, sondern leicht wahnsinnig aus: Die Lenkergriffe waren spiralartig gewunden wie die Hörner des Widders, den ich mal als Kind im Zoo gesehen hatte. Die Scheinwerfer leuchteten auf, als hätte das Gefährt uns zugeblinzelt. Ksü packte das Teil an den Hörnern und führte es heraus. Ich hatte das Gefühl, es sperrte sich ein bisschen, als wäre es wirklich lebendig. Ksü klopfte aufmunternd auf den Sattel und sprang auf.
    »Setz dich!«
    »Wohin?«
    »Wohin wohl? Hinter mich. Und gut festhalten!«
    Ich kletterte vorsichtig auf den Sitz. Jetzt wurde mir klar, warum Ksü immer Hosen trug. Ich musste meinen Rock mühsam um meinen Hintern drapieren. Das Moped brummte ungeduldig und zitterte leise. Er vibrierte unter mir und ich fragte: »Aber eine Art Führerschein hast du schon, oder?«
    Ksüs Lachen ging im Dröhnen des Motors unter.
    Ich war noch nie auf einem Moped gefahren. Ich quietschte wie Jaro und Kassie als Babys auf dem Kinderkarussell. Ich spürte eine kopflose, heitere Angst. Der Wind pustete die dumpfen, sorgenvollen Gedanken an meine Mutter aus dem Kopf und kitzelte mir den Hals. Ich hielt mich mit beiden Armen an Ksü fest und war froh, dass sie keine Haare hatte, sonst hätte ich sie vor mein Visier geweht bekommen.
    Wir rasten durch die Stadt. Ab und zu hielt Ksü an einer roten Ampel, und da sie immer erst im letzten Moment abbremste, fiel ich beinah runter. Ich klammerte mich fester an Ksü. Sie wechselte fröhlich zwischen den vier Spuren der Transferstraßen und Autos hupten ihr hinterher. Schon bald wusste ich nicht mehr, wo wir waren.
    Das Zentrum mit dem Regierungssitz und den verspiegelten Wolkenkratzern verließ Ksü viel schneller, als es der Schulbus normalerweise tat. Bald bog sie in ein Wohngebiet ein und ich zerfloss sofort vor Dankbarkeit, in unserem Viertel zu leben und nirgendwo sonst.
    Die Wohnhäuser in unserem Viertel waren weiß, die öffentlichen Gebäude mintgrün. Alles sah frisch und sauber aus und die Straßen waren schnurgerade, wie mit dem Lineal nachgezogen. Ein Bonbonpapier auf dem Asphalt wäre ein Skandal gewesen und bei uns trugen alle dazu bei, Skandale zu vermeiden.
    In dem Viertel, durch das wir gerade rasten, waren die Häuser alt, schmal und schief. Sie erinnerten mich an faule Zähne in einem viel zu kleinen Kiefer. Die Straßen waren krumm, die Bäume ungeschnitten, auf den Balkonen hingen Wäscheleinen, um die sich Kletterpflanzen rankten. Vor den Häusern lagen leere Dosen und zerrissene Plastiktüten. Kleine Kinder spielten barfuß im Dreck, obwohl es dafür ziemlich kalt war.
    Natürlich wusste ich, dass nicht alle Menschen so normal und glücklich lebten wie meine Familie. Dass es auf der Welt auch Kinder gab, die nicht genug zu essen hatten und keine richtigen Kleider. Im Fernsehen gab es hin und wieder Werbespots, in denen wohltätige Einrichtungen für Junkies oder für kranke Waisenkinder um Spenden warben. Ingrid schüttelte in solchen Momenten immer den Kopf und mein Vater hob mahnend den Zeigefinger. Natürlich waren alle Junkies Freaks – man sah es an den

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