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Spiegelkind (German Edition)

Spiegelkind (German Edition)

Titel: Spiegelkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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war. Kein Wunder, dass sie immer so ausweichend auf meine Fragen reagierte.
    »Ist es was Ernstes?«, fragte ich.
    »Ich hoffe nicht. Sie hat ihre Stimme verloren und dazu noch ziemlich hohes Fieber. Aber sag mal, machst du das öfter?«
    »Was?«
    »So reisen.« Ivan deutete hinter meinen Rücken und ich drehte mich um, sah das Quadrum an und zuckte zusammen. Das Mädchen war wieder da.
    »Willst du mir damit sagen, ich bin aus diesem Rahmen rausgekommen?«, fragte ich.
    »Ich hab’s leider nicht genau gesehen.« Ivan stellte einen Wasserkessel auf den Herd und zündete mit einem Streichholz das Feuer an. Die blaue Gasflamme tanzte im Kreis herum. »Es hat nicht mal ein Geräusch gegeben. Plötzlich warst du da. Ich habe allerdings davon gelesen, dass so etwas möglich ist.«
    »Aber … sind sie denn alle miteinander verbunden? So rein theoretisch? Die Quadren meiner Mutter?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung.« Ivan häufte getrocknete Blätter in eine dickwandige Tasse. »Ich war im Gegensatz zu dir ja noch nie drin. Ich habe nur davon gelesen. Der Tunnel zwischen den Quadren ist kein sehr verbreitetes Phänomen, doch der Wissenschaft bekannt. Ehrlich gesagt habe ich bis heute nicht wirklich dran geglaubt. Es gibt jede Menge Theorien, aber bei Pheen man weiß nie, was Legende ist und was auf Tatsachen basiert.«
    »Welcher Wissenschaft noch mal?«, fragte ich mit tauben Lippen.
    »Der Pheelogie.«
    »Gibt’s das?«
    »Und ob. Man kann sie sogar studieren.«
    »An einer Universität?«
    »Genau.«
    »An deiner vielleicht sogar?«, fragte ich vorsichtig.
    »An meiner.«
    Wir sahen uns in die Augen. Ich sprach die Frage, die mir sofort in den Sinn kam, nicht aus und er konnte sie deswegen auch nicht beantworten.
    Ivan sah als Erster weg. Er drehte die Flamme unter dem Kessel herunter, goss kochendes Wasser über die Blätter und drückte mir die Tasse in die Hand.
    »Wenn du willst, kannst du das Gesöff Ksü bringen. Treppe hoch und dann gleich links. Sie wird sich freuen. Sie hat sich schon Sorgen um dich gemacht.«
    »Sorgen? Um mich?«
    »Ja.« Ivan sah mich ruhig an. »Sorgen um dich.«
    Ich nahm die Tasse ungeschickt und musste sofort umgreifen.
    »Vorsicht, heiß«, sagte Ivan, aber da hatte ich mir die Finger bereits verbrannt. »Und pass bitte auf, dass sie alles austrinkt. Sind angeblich Pheenkräuter, und dem Preis nach zu urteilen, sollte es wirklich keine Fälschung sein.«
    »Aha, verstehe«, sagte ich, obwohl ich nur Bahnhof verstand. Es war, als ob mein Kopf jetzt einfach die Mitarbeit verweigerte. Und irgendwie konnte ich es ihm nicht verdenken.
    Ich war erleichtert, dass ich endlich die Küche verlassen konnte. Ich stieg die Treppen hoch, klopfte an Ksüs Tür, hörte ein Krächzen, machte auf und steckte den Kopf hinein.
    Ksüs Gesicht auf dem Kissen verzog sich bei meinem Anblick zu einem so breiten, glücklichen Grinsen, dass ich dafür gern noch hundert peinliche Treffen mit ihrem Bruder in Kauf genommen hätte. Sie lag im Bett unter einem Berg von Decken und um ihren Hals war ein dicker, kratzig aussehender Wollschal gewickelt.
    Ich trug die Tasse feierlich am Henkel hinein.
    »Hier ist ein Gesundmachtee für die Dame! Von staatlich zertifizierten Pheen gepflückt! Abrakadabra!« Ich hielt die Tasse Ksü hin und setzte mich zu ihr aufs Bett, nachdem ich meine Handfläche über der Tasse hatte kreisen lassen, wie in einem alten Pheenkram-Film, den mir meine Mutter vor Jahren an einem meiner schulfreien Tage gezeigt hatte.
    Ksü nahm die Tasse mit beiden Händen, probierte vorsichtig, verzog das Gesicht.
    »Austrinken!«, befahl ich. »Das hat dein Bruder verordnet. Vorher darfst du kein Wort sagen.«
    Ksü schloss die Augen und verbrannte sich die Zunge pflichtschuldig an dem Trunk. Sie pustete in die Tasse und trank in kleinen Schlucken weiter. Ich hörte es irgendwo in ihrer Kehle gluckern. Dann schlug sie die Augen wieder auf und sagte ganz normal: »Ein Wunder ist geschehen!«
    Ich war sicher, dass sie mich gerade aufzog. Sie warf die Decken ab, ein Schlafanzug mit aufgedruckten Drachen kam zum Vorschein, sie wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn und riss das bislang fest verschlossene Fenster auf. Frische Luft, vermischt mit lärmenden Vogelstimmen, strömte ins Zimmer.
    »Bin ich froh, dass du da bist«, sagte Ksü.
    Ich war auch froh. Nachdem sie ihren Hals vom Schal befreit und den Schal in die Ecke geworfen hatte, setzte sie sich neben mich auf das Bett und ich erzählte ihr

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