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Spiegelkind (German Edition)

Spiegelkind (German Edition)

Titel: Spiegelkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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Und noch bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, schwang die Tür auf. Die Männer drängten mich mit ihren Schultern aus dem Weg und betraten das Atelier mit Ingrid auf den Fersen.
    Ich stand wie angewurzelt an der Schwelle und sah zu.
    Sie schoben sich schwarze Masken über die Gesichter, holten große Säcke aus ihren Taschen und begannen, die Quadren meiner Mutter einzupacken. Ingrid kehrte zur Tür zurück und blieb dort stehen. Sie atmete jetzt lauter.
    »Was macht ihr da?«, fragte ich heiser.
    »Sei leise, Pheechen«, murmelte einer der Männer.
    »Pssst«, machte Ingrid. »Sie ist noch ein Kind.«
    »Sie ist größer als ich! Noch ein paar Jahre und …«, sagte einer der Männer.
    »Pssst!«, zischte Ingrid erneut.
    Ich zerrte an einem der Säcke. »Fassen Sie das nicht an! Es gehört Ihnen nicht. Das ist Diebstahl.«
    »Das ist Reinigung«, belehrte mich einer der Männer, während der andere mich mit dem Handschuh aus dem Weg schob. »Das ist Beseitigung von gefährlicher Kunst.«
    »Das gehört meiner Mutter!«
    Sie kümmerten sich nicht um mich. Sie versuchten, die großen Quadren hochzuheben, doch die passten nicht in die Säcke. Es verschaffte mir eine gewisse Genugtuung zu beobachten, wie das schwarze Plastik von den größeren Rahmen gedehnt und zerrissen wurde. Doch dann wandten sie sich den kleineren zu, warfen sie grob in den Sack, ich hörte die Rahmen splittern.
    Vor Wut konnte ich kaum noch was sehen – es war, als hätte sich ein blutroter Film über meine Augen gelegt. So hilflos, verloren und verzweifelt hatte ich mich noch nie im Leben gefüllt, nicht einmal, als ich vor gerade mal einer Woche in unserem verwüsteten Wohnzimmer stand und mein Vater mir mitteilte, dass meine Mutter verschwunden war.
    Und plötzlich war da dieses Knurren.
    Ich hörte es als Erste. Und im gleichen Augenblick wusste ich, dass die Quadren gerettet waren. Ich konnte noch nicht sehen, woher das Knurren kam. Ich wusste nur, dass es sich gegen die Männer in Schwarz richtete. Ich war nicht mehr allein.
    Keiner begriff, wie es passierte und woher der große braune Bär kam, der sich auf die Hinterbeine stellte und sein riesiges Maul aufriss. Nur mir kam der Bär etwas bekannt vor, aber ich hatte keine Zeit, der Erinnerung nachzuhängen, wo ich ihn schon mal gesehen haben könnte.
    Der Bär bewegte sich langsam durch das Zimmer.
    Die Männer brauchten Sekunden, um zu kapieren, dass ihre Augen ihnen keinen Streich spielten. Es war wirklich ein Bär und er war wirklich im Raum, er knurrte, bleckte die Zähne, schnaufte und drängte mit seinem schweren Körper die Männer von den Quadren.
    Sie ließen ihre Säcke fallen. Ingrid schrie hoch auf, löste sich von der Tür und rannte hinaus. Ich hörte sie auf der Treppe stolpern.
    Der Bär knurrte lauter. Einer der Männer schrie jetzt auch. Der Bär brachte sie unmissverständlich dazu, aus dem Zimmer zu verschwinden, was sie in kürzester Zeit taten, im Rückwärtsgang und sich aneinanderklammernd.
    Schließlich krochen sie über die Türschwelle, die Tür fiel zu und ich hörte zwei Körper in Todesangst die Treppe runterstürzen, meiner Großmutter hinterher.
    Ich sah mich um. Die Quadren waren alle noch da. Sie waren von feindseligen Händen angefasst worden und standen jetzt schief und quer. Zwei schwarze Plastiksäcke lagen auf dem Boden, ich kniete mich davor und begann, ein Quadrum nach dem anderen aus dem Sack zu holen und wieder entlang der Fußbodenleiste aufzustellen.
    Ich nahm jedes Quadrum in die Hände und schaute es mir genau an. Ich stellte fest, dass ich nur wenige von ihnen kannte, und auch die nur schlecht. Ich suchte das Quadrum, auf dem ich schon mal den Bären gesehen hatte, der gerade die Quadren gerettet hatte, sein eigenes dazu.
    Während ich die Rahmen aufreihte, hörte ich tiefe Atemzüge an meinem Ohr. Es kitzelte und ich hatte Angst, mich umzudrehen. Dann knickte ich fast ein, als der Bär seinen schweren Kopf auf meine Schulter legte. Mit der freien Hand tätschelte ich sein Fell, das rau und warm war.
    »Das haben wir gut gemacht, oder?« Vor ihm hatte ich weniger Angst als vor den Männern in Schwarz. Nur ein kleines bisschen und ich redete dagegen an.
    »Mama hat dich gemalt und du bist rausgekommen, weil ich dich gebraucht habe«, flüsterte ich.
    Er wog den Kopf hin und her, ich wertete es als Zustimmung.
    »Ich bin so allein, Bär«, flüsterte ich. »Ganz allein. Meine Geschwister sind noch viel zu klein. Eigentlich müsste

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