Spiegelschatten (German Edition)
stand auf und trat zum Fenster. Blickte hinaus auf andere Häuser, andere Fenster. Wie viel Einsamkeit mochte es wohl in dieser Stadt geben, in der es doch von Leben nur so wimmelte?
Als es klingelte, fuhr er zusammen. Er drückte auf den Türsummer und erwartete jemanden, der für irgendetwas Unterschriften oder Geld sammelte. Stattdessen erblickte er einen atemlosen Rick, der ihn schief angrinste. » Lust auf ein Bier?«
Es gehörte nicht zu Ricks Gewohnheiten, unangemeldet aufzutauchen, und Bert schloss daraus, dass mehr dahintersteckte, als der Wunsch, etwas zu trinken. Er schaltete den Fernseher aus, ließ alles stehen und liegen, wie es war, nahm seinen Mantel vom Haken und schloss die Tür ab. Dann folgte er Rick die Treppe hinunter.
» Wohin?«, fragte er, als sie draußen standen. Ihm wurde bewusst, dass er noch keine Erfahrungen mit Kölner Kneipen gesammelt hatte.
Rick zeigte irgendwohin und trabte einfach los.
» Krach mit Malina«, sagte er schließlich.
Das hatte Bert sich fast gedacht. » Schlimm?«, fragte er.
» Will nicht drüber reden.«
Sie legten den Weg schweigend zurück.
Die Kneipe, in die sie schließlich einkehrten, befand sich in einer Art Gewölbekeller, den man zu einem großen, verwinkelten Raum ausgebaut hatte. Grobe Fässer waren zu Tischen umfunktioniert worden und alte Flaschen zu Lampen. Fast jeder Platz war besetzt.
Wenig später saßen sie beim Bier und der Kellner brachte einen Korb mit Brot und einen kleinen Topf mit Griebenschmalz. Bert fühlte sich wohl wie lange nicht mehr.
» Du hast mich gerettet«, sagte er. » Das wäre ein übler Abend geworden.«
» Gleichfalls«, antwortete Rick. » Wir könnten ruhig öfter mal um die Häuser ziehen.«
Um die Häuser ziehen.
» Hab ich ewig nicht mehr gemacht«, sagte Bert.
» Ich weiß.«
» Bin ich so leicht zu durchschauen?«
» Ganz im Gegenteil. Hab lang genug gebraucht, um dahinterzukommen.«
» Und jetzt willst du mich auf den rechten Weg bringen?«, fragte Bert lächelnd.
» Lass es mich wenigstens versuchen.«
Nach dem zweiten Bier wagte Bert es, noch einmal nach Malina zu fragen.
» Ihre Eifersucht macht alles kaputt«, sagte Rick.
Dilay, dachte Bert.
» Da reicht es schon, wenn eine neue Kollegin auftaucht.«
Arme Malina.
» Sie hat erst ihren Teller an die Wand geschmissen, danach meinen, und dann ist sie fluchend abgerauscht und hat mich in dem Chaos sitzen lassen. Spaghetti mit Tomatensoße. Kannst du dir die Sauerei vorstellen?«
Eifersucht, fuhr es Bert durch den Kopf. Ein starkes Motiv für einen Mord.
» Und wenn die Morde aus Eifersucht begangen wurden?«, überlegte er laut.
» Oh«, sagte Rick. » Herzlichen Dank auch für deine Anteilnahme.«
» Entschuldige. Es ist wirklich unverzeih…«
Rick winkte ab. Er schien ganz erleichtert, das Thema wechseln zu können.
» Du meinst, dass die Toten miteinander… verbandelt waren?«
» Der einzige gemeinsame Nenner, den wir definitiv ausgemacht haben, ist die Homosexualität der Opfer. Aber da muss mehr sein, was sie verbindet. Dass sie alle mit Björn Berner befreundet oder bekannt waren, reicht mir nicht aus. Es zeigt uns allenfalls eine Richtung.«
» Leonard Blum und Tobias Sattelkamp sind, nach unseren Informationen, ziemliche Einzelgänger gewesen, die offenbar auch keine feste Beziehung unterhielten.«
» Keine feste«, betonte Bert.
» Erik Sammer und Josch Bellmann verfügten zwar über jede Menge sozialer Kontakte«, führte Rick seinen Gedankengang weiter, » aber auch sie waren allem Anschein nach nicht gebunden.«
Bert nahm mit einem Nicken das dritte Bier von dem Kellner entgegen. Obwohl er eigentlich schon genug hatte. Er trank im Grunde lieber Wein.
» Lockere Beziehungen«, sagte er, » geben oft mehr Raum für Eifersucht als feste.« Erst nachdem die Worte ausgesprochen waren, merkte er, was er da von sich gegeben hatte. » Entschuldige«, bat er wieder. » Ich trete heute aber auch in jedes Fettnäpfchen, das irgendwo herumsteht.«
Doch Rick hörte gar nicht hin.
» Eifersucht«, murmelte er. » Das wäre durchaus möglich.«
24
Schmuddelbuch, Dienstag, 8. März, dreiundzwanzig Uhr
Den ganzen Abend hat Maxim vergeblich versucht, Griet zu erreichen. Schließlich hat er der Reihe nach ihre Freundinnen angerufen.
Keine von ihnen weiß, wo sie sich aufhält.
Er hat sich auch überwunden, mit ihrer Schwester zu sprechen, obwohl er zu Griets Familie keinen Kontakt hatte und sich die Nummer erst über die Auskunft
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