Spiegelschatten (German Edition)
nach einem Rezept aus seinem einzigen Kochbuch zubereitet. Fehlten nur noch die Fünf-Minuten-Eier und das frische Obst.
Da er versäumt hatte, Romy zu fragen, was sie zum Frühstück gern aß, hatte er einfach alles aufgefahren, was ihm eingefallen war. Jetzt warf er noch einmal einen prüfenden Blick über den Tisch, rückte die Blumen zurecht und schob die roten Servietten, die er zu Rosen gefaltet hatte (oder doch zu etwas, das Rosen ähnlich sah), in die Mitte der Teller.
Du führst dich auf wie ein Kellner im Hilton, dachte er und war sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Und dann kam Romy herein.
Ihre kurzen Haare waren noch feucht und standen ihr vom Kopf ab wie Igelstacheln, bloß weicher. Sie duftete nach Shampoo und Creme, und ihre Haut glänzte ein wenig. Ihre Augen und die Lippen waren ungeschminkt.
Ihr Morgengesicht. Es gefiel ihm.
» Hi«, sagte sie ein bisschen verlegen.
» Hi«, antwortete Ingo. » Hast du gut geschlafen?«
» Wie ein Murmeltier.«
» Und wie genau schlafen Murmeltiere?«
Sie lachte, und ihr Lachen war noch nicht ganz wach. Aber es war so, dass er es gern noch einmal gehört hätte. Doch da stand Romy schon am Tisch und betrachtete ungläubig sein Werk.
» Ingo!«
» Ich wusste nicht, was du gern magst.«
» Und da schaffst du gleich alles herbei, was man sich nur wünschen kann? Womit habe ich es verdient, so verwöhnt zu werden?«
» Hast du nicht. Ich frühstücke immer so.«
Grinsend setzte sie sich. Sie nahm die Serviette vorsichtig in die Hand und brachte sie am Tischende in Sicherheit. » Die werde ich mir aufbewahren. Als Andenken.«
» Kaffee oder Tee?«, fragte Ingo.
» Tee, bitte. Und nach dem Frühstück einen Kaffee. Oder ist das unverschämt?«
» Dein Wunsch ist mir Befehl.«
Wenig später dampfte der Tee in ihren Tassen, und Romy biss in ein Brötchen, dass es krachte. Ein Krümel blieb in ihrem Mundwinkel hängen. Mit der Zungenspitze zog sie ihn in den Mund.
Ingo hätte ihr ewig zuschauen mögen.
Das überraschte niemanden mehr als ihn selbst, denn für gewöhnlich war er froh, wenn eine Frau, mit der er die Nacht verbracht hatte, so schnell wie möglich ihre Sachen packte und verschwand.
Aber er hatte die Nacht ja auch nicht mit Romy verbracht. Sie war lediglich Gast in seiner Wohnung. Gast, dachte er, vergiss das nicht.
» Darf ich dich was fragen, Romy?«
» Du darfst mich alles fragen. Nur nicht nach dem Ort, an dem Björn untergetaucht ist.«
Sie war ehrlich. Und sie war konsequent. Das war mehr, als die meisten Menschen von sich behaupten konnten.
» Hast du einen bestimmten Verdacht?«
Romy schüttelte langsam den Kopf. » Der neunte Tag seit dem ersten Mord und die Sache wird immer undurchsichtiger.«
Sie hatte recht. Es ging ja nicht um einen einzigen Mord, sondern um eine Serie von mittlerweile vier Morden, und nach jedem Mord mussten die Karten neu gemischt werden.
» Was hältst du davon, wenn wir zusammenarbeiten?«, fragte er.
Sie war so überrascht, dass sie aufhörte zu kauen. Das Brötchen, von dem tiefrot die Marmelade tropfte, in der linken Hand, starrte sie ihn an. » Du bist ein Einzelgänger, Ingo.«
» Ich weiß, was ich bin.«
» Du hockst auf deinen Informationen wie die Spinne in ihrem Netz. Bereit, sie gegen jeden zu verteidigen, der sich dir nähert.«
» Das ist mein Ruf in der Szene?«
» Oh ja.«
» Und wenn ich ihn nicht will?«
» Wen?«
» Diesen Ruf.«
» Dann solltest du dich ein klein bisschen ändern.«
» Hilfst du mir dabei?«
» Ich? Wie denn?«
» Indem du mit mir zusammenarbeitest.«
» Du vergisst jetzt nicht gerade, dass wir Konkurrenten sind?«
» Das regeln wir schon irgendwie.«
» Und du fragst mich das nicht bloß, weil Björn mein Bruder ist?«
» Du meinst, ich will über dich an Informationen gelangen, die ich sonst nicht kriegen würde?«
» Willst du?«
» Nicht nur.«
» Das bedeutet?«
» Du gehst mit Leidenschaft an die Sache heran, Romy. Das habe ich oft genug beobachtet. Wir könnten einander ergänzen. Deine Leidenschaft und meine Erfahrung. Das wär für beide Seiten ein guter Deal.«
» Lass mich darüber nachdenken, ja?«
Sie widmete sich wieder ihrem Brötchen und sie sprachen über andere Dinge. Dann verließen sie gemeinsam das Haus. Vor der Tiefgarage umarmten sie sich und gingen zu ihren Autos.
Ingo lächelte.
Romy tat ihm gut.
*
Ich war immer bei dir. Von Anfang an.
Was sollte das heißen?
Das fragst du wirklich?
Nein. Er hatte gar nicht
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