Spiegelschatten (German Edition)
bis man in der Kriminalgeschichte auf einen Serienmörder stößt, der es auf Schwule abgesehen hat? Die meisten übrigen Minderheiten sind als Opfer häufiger vertreten.«
» Was sagt Björn dazu?«
» Dass er keinem seiner Freunde und Bekannten Schwulenhass zutraut und ganz sicher keinen Mord.«
» Aber du siehst das anders.«
» Björn hat Drohbriefe erhalten.«
Sei vorsichtig, ermahnte sie sich. Auch wenn du ihn für unschuldig hältst, musst du ihm nicht alles auf die Nase binden.
» Ebenso wie ich«, fuhr sie fort. » Der Mörder versetzt Björn in Angst und Schrecken. Mich will er einschüchtern und zum Schweigen bringen. Nur jemand, der Björn gut kennt, weiß von seiner Verbindung zu mir.«
» Klingt logisch.«
» Ich schwöre, er wird sich an mir die Zähne ausbeißen.«
Romy beobachtete Bruno genau. Wäre er der Täter, müsste ihr letzter Satz eine Reaktion hervorrufen. Sie müsste ihm vom Gesicht ablesen können, welche Gefühle sie bei ihm ausgelöst hatte.
Was sie jedoch sah, war Betroffenheit, und sie glaubte nicht, dass die gespielt war.
» Vielleicht triffst du dich besser nicht mehr allein mit Typen, die du dir rein theoretisch als Mörder vorstellen könntest«, riet er ihr. » Mal angenommen, du sitzt irgendwann dem wirklichen Täter gegenüber…«
» Genau das will ich ja. Ihn finden.«
In seinen Augen las sie Skepsis. Sie spürte sie auch in sich selbst.
Aber sie hatte keine Alternative.
*
Björn war in die Stadt gefahren und hatte eine Apotheke gesucht. Dort hatte er ein Fieberthermometer, eine kleine Flasche Umckaloabo, eine Packung Lutschtabletten gegen Halsschmerzen und eine Tüte Hustenbonbons mit Zitronengeschmack gekauft.
Verträumt lag die Innenstadt von Halver in der Morgensonne. Die Menschen gingen ihren Geschäften nach. Vor einer Bäckerei wartete ein kleiner Hund geduldig auf sein Herrchen oder Frauchen. Auf den Regenrinnen über den Kleidergeschäften hockten Kunststoffraben, um Tauben fernzuhalten. Manche Ladenbesitzer hatten ihre Dächer und Simse zusätzlich mit nadelspit zen Spikes gesichert, um die Tauben an der Landung zu hindern.
Björn musste an Romy denken und an das Taubenpaar, das auf dem Dach und den Fensterbänken ihres Hauses wohnte. Auf die Frage, ob sie Haustiere habe, antwortete Romy gern: » Ja. Zwei Tauben.«
Er hatte heute früh schon mit ihr telefoniert.
Alles okay, Björn. Wirklich. Alles okay.
Er konnte nur hoffen, dass sie ihm die Wahrheit sagte.
Björn hätte sich gern ein wenig umgesehen, aber er wollte Maxim nicht länger allein lassen als nötig. Außerdem verspürte er ein latentes Gefühl von Bedrohung.
Unmöglich, sagte er sich. Keiner weiß von dem Haus. Keiner weiß von dieser Stadt und dass wir hier sind.
Er versuchte, mit dem Verstand gegen die Einflüsterungen seines Gefühls vorzugehen. Und nach einer Weile wurde er wieder ruhiger. Er kaufte rasch noch ein paar Lebensmittel ein und machte sich auf den Weg nach Hause.
Maxim maß brav seine Temperatur (38,5) und schluckte gehorsam die vorgeschriebene Höchstdosis von dreißig Tropfen Umckaloabo, dann steckte er sich eine Lutschtablette in den Mund.
» Und was kommt als Nächstes?«, fragte er. » Rufst du beim ersten Hüsteln den Notarzt?«
» Sehr witzig.«
Maxim war angezogen. Er hatte es im Bett nicht ausgehalten. Ein gutes Zeichen, fand Björn.
» Ich würde gern den Garten erkunden«, sagte Maxim. » Du auch?«
Ein Spaziergang schadete auch bei Fieber nicht, also stimmte Björn zu. Für den Fall der Fälle war es wichtig, dass sie sich in ihrer neuen Umgebung auskannten. Es konnte ihnen das Leben retten.
Der Garten war lange nicht mehr gepflegt worden. Wahrscheinlich hatte das die Kraft der alten Leute überfordert. Alles wuchs wild durcheinander. Die Bäume drängten sich gegenseitig aus dem Weg. Die Büsche, die in ihrem Schatten dahinveg etierten , streckten ihre dürren Äste hungrig dem Licht entgegen.
Wie auch im Vorgarten, dominierten Efeu und andere Bodendecker. Sie hatten bereits damit begonnen, sich auch die Rasenfläche zu erobern, die längst kein Rasen mehr war, sondern ein struppiger Teppich aus Unkraut und Moos.
Eine rostende Eisenbank erinnerte an Zeiten, in denen in diesem Garten geplaudert und gelacht worden war. Eine alte Schaukel hing vergessen am untersten Ast eines mächtigen Baums. Aus dem Teich in der Mitte des Gartens war ein zauberhafter Tümpel geworden, der ideale Aufenthaltsort für Kröten, Frösche und Lurche.
Und für
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