Spiegelschatten (German Edition)
und sämtliche Fenster sind zu. Wenn der Typ kein Magier ist, kommt er hier nicht rein.«
» Er ist mehr als das, Björn. Er ist ein Mörder.«
Jetzt schaute Maxim Björn beim Essen zu und versuchte krampfhaft, die Augen offen zu halten. Es war mühsam, gegen die tiefe Müdigkeit anzukämpfen, die ihm die Glieder schwer machte. Ab und zu nickte er ein und hob ruckartig den Kopf, um dem Schlaf bloß nicht nachzugeben.
Die Minuten schleppten sich dahin.
Wenn Björn wenigstens reden würde. Doch er war mit seinen Gedanken vermutlich noch bei der toten Krähe, die sie bald entsorgen sollten, bevor sie anfing zu stinken. Björn würde garantiert eine kleine Beerdigung veranstalten.
Maxim griff nach seinem Glas und hob es an die Lippen. Beim Trinken verschüttete er Wasser. Es lief ihm am Kinn hinunter und tropfte auf seine Oberschenkel. Die Kälte ging ihm durch und durch.
Er griff nach seinem Handy und wählte zum tausendsten Mal Griets Nummer, obwohl er längst nicht mehr damit rechnete, dass sie sich melden würde.
Björn hob den Kopf und sah ihn an.
Nein, widersprach Maxim im Stillen. Griet steckt nicht hinter den Morden. Sie ist verletzt, sie ist unglücklich, und bestimmt hasst sie mich für das, was ich ihr angetan habe, aber sie wäre niemals fähig, einen so brutalen, grausamen Racheplan zu schmieden.
Und Unschuldige dafür zu opfern.
Björn beugte sich wieder über seinen Teller und Maxim hätte ihn am liebsten geschüttelt.
Warum nur glaubte er ihm nicht?
» Wir kennen den Mörder«, sagte er leise und mehr zu sich selbst als zu Björn.
Björn ließ die Gabel sinken und starrte ihn an.
» Wir kennen ihn«, wiederholte Maxim. » Es kann gar nicht anders sein.«
31
Schmuddelbuch, Donnerstag, 10. März, sechzehn Uhr, Diktafon
Gehe zu Fuß zur Mensa. Die Bewegung tut mir gut. Sobald ich mit Kalle Wisius fertig bin, werde ich meinen Wagen aus der Tiefgarage holen und nach Buschdorf fahren.
Ingo hat angerufen, um mir zu sagen, ich solle vorsichtig sein.
Helen hat angerufen und mir auf die Mailbox gesprochen, dass sie mich vermisst.
Greg hat angerufen und auf mich eingeredet, bloß keine gefährlichen Sachen zu unternehmen.
Alle kümmern sich so lieb um mich. Nur einer nicht. Cal.
Es ist vorbei, Romy, endgültig. Kapier das endlich.
Die doofen Tränen verstärken das Unbehagen, das ich schon die ganze Zeit empfinde. Ich schaue immer wieder über die Schulter, behalte jeden im Blick, der in mein Gesichtsfeld gerät.
» Sobald du merkst, dass es gefährlich wird, kommst du zu uns«, hat Björn mich am Telefon gedrängt. » Versprich mir das.«
Ich habe es ihm geschworen. Dreimal hochheilig.
Seit wann gerate ich so leicht außer Atem?
Dass meine Stimme die Wörter verwackelt, liegt nur daran, dass ich so schnell gehe.
Glaube ich…
Endlich war Maxim eingeschlafen. Er lag wieder auf dem Sofa im Wohnzimmer und wand sich in Fieberträumen. Björn saß im Sessel und betrachtete ihn, während sich draußen der Himmel bezog und die blasse Nachmittagssonne verdeckte.
Björn hatte sämtliche Gardinen zur Seite gezogen, damit ein bisschen Licht ins Haus gelangen konnte. Dunkle Räume bedrückten ihn, und dieses Haus mit seinen überwiegend alten Möbeln sog die Helligkeit förmlich auf.
Schweiß glänzte auf Maxims Stirn. Seine Wangen glühten. Björn hatte ihn überreden können, noch einmal seine Temperatur zu messen. Das Ergebnis hatte ihn erschreckt. 39,3. Ab wann musste man gegen Fieber etwas unternehmen?
» Maxim?«, sagte er leise.
Als Maxim nicht wach wurde, beschloss Björn, noch einmal aufzubrechen, um weitere Medikamente zu besorgen. Er legte Maxim einen Zettel auf den Tisch, Fahre eben zur Apotheke, bin gleich zurück, zog seine Jacke an und verließ das Haus.
Feiner Nieselregen empfing ihn und absolute Lautlosigkeit. Als wäre keines dieser Häuser, die sich an der Straße entlangzogen, bewohnt. Die Vorgärten erschienen Björn mit einem Mal wie zu groß geratene Gräber, und für einen Moment hatte er Bedenken, Maxim allein zurückzulassen.
Er gab Gas, dass die Reifen quietschten, dann zwang er sich zur Langsamkeit. Sie hatte den Vorteil, dass er alles im Blick behalten konnte, auch wenn das Einzige, was sich bewegte, eine Katze war, die vor ihm über die Straße huschte und mit einem langen Satz in einem der Vorgärten verschwand.
In der Innenstadt fand er auf Anhieb einen Parkplatz. Die Menschen trugen Schirme und gingen vornübergeneigt, als hätte ihnen jemand das Gewicht der
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