Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
Vom Netzwerk:
Als wäre hier das Ende der Welt.
    Jeder in Buschdorf kannte das Huhn. Es büxte immer wieder aus und kehrte immer wieder freiwillig in den Hühnerstall zurück. Björn sah ihm nach und fragte sich, wie lange er es noch in diesem verschlafenen Stadtteil aushalten würde, in unmittelbarer Nähe der Rheinischen Landesklinik, worüber nicht nur Maxim ständig lästerte.
    Wenigstens hat man’s hier bis zur Psychiatrie nicht weit, was, Alter?
    Der Typ aus dem Kiosk kratzte sich an den Händen und Armen. Das tat er immer, wenn er nicht gerade etwas ein- oder auspackte. Björn überlegte, ob Neurodermitis der Grund war oder etwas anderes, das er sich nicht unbedingt vorstellen mochte. Er war froh, dass der Mann die Brötchen mit einer Brotzange aus dem Korb nahm und in die Tüte fallen ließ.
    » Ob’s endlich bald Frühling wird?«
    Björn hob die Schultern, weil er nicht wusste, was er darauf antworten sollte. Solche Gespräche überforderten ihn, weil sie kein Thema hatten, keine Logik, keinen Anfang und kein Ende.
    » War doch schon richtig mild geworden.«
    Björn nickte und fing an zu schwitzen. Der Typ war ihm nicht geheuer. Er neigte dazu, seine Kunden unverwandt anzustarren und das mit finsterer Miene, als wollte er ihnen gleich an die Gurgel springen. In jedem seiner Sätze schwang eine unverhohlene Aggression mit, die oft in krassem Gegensatz zum Inhalt stand.
    » War’s das dann?«
    » Ja«, sagte Björn und fügte rasch ein » vielen Dank« hinzu, weil der Mann den Eindruck machte, als wär ihm der ganze Aufwand für vier mickrige Brötchen entschieden zu hoch gewesen. Er fischte die passenden Münzen aus der Hosentasche und legte sie auf die Theke.
    Auch wieder falsch, weil es dem Typen mit seinen abgekauten Fingernägeln nur schwer gelang, sie von der glatten Oberfläche aufzuklauben. Doch Björn hätte es nicht über sich gebracht, sie ihm in die Hand zu legen und ihn dabei unabsichtlich zu berühren.
    Erleichtert verließ er den Kiosk, wo sich ab Mittag die Männer aus der Umgebung trafen, um Skat zu spielen, Bier zu trinken und den Mädchen hinterherzupfeifen.
    Plötzlich war die Luft draußen berauschend klar und Björn atmete tief ein und aus. Er winkte einer Nachbarin zu, die schon mit Fensterputzen beschäftigt war, schloss die Haustür auf und betrat das Treppenhaus, das immer nach Reinigungsmitteln und undefinierbarem Essen roch.
    Seine Schuhsohlen quietschten auf der Steintreppe. Die Papiertüte knisterte in seinen Händen. In den Treppenhausmief mischte sich der appetitliche Duft der frisch gebackenen Brötchen.
    Björn hatte die letzten Stufen noch nicht erreicht, als er das Blatt Papier sah. Es hing an seiner Wohnungstür, festgehalten von einem Stück Klebeband.
    FÜHL DICH BLOSS NICHT ZU SICHER !
    Björn spürte die Drohung kalt im Nacken. Er wagte nicht, sich umzudrehen, obwohl er das Gefühl hatte, dass etwas– oder jemand– ihn vom oberen Treppenabsatz belauerte. Die Schlüssel klimperten zwischen seinen Fingern, die so heftig bebten, dass sie kaum zu gebrauchen waren.
    Schnell! Schnell!
    Als ihm der Schlüsselbund aus den Händen rutschte und mit einem, wie es Björn vorkam, ohrenbetäubenden Krach auf dem gefliesten Boden landete, stand er wie erstarrt. Seine Gesichtshaut schien sich vor Anspannung zusammenzuziehen. Urplötzlich fing er an zu frieren.
    Er bückte sich in Zeitlupe, als könnte jede übereilte Bewegung das reglose Wesen in seinem Rücken dazu veranlassen, sich auf ihn zu stürzen. Seine Fingerspitzen tasteten fahrig nach den Schlüsseln, während er die Augen fest zugekniffen hielt. Wie früher. Beim Versteckspielen.
    Eins, zwei, drei, ich seh dich nicht …
    Eine Botschaft des Mörders.
    Anders konnte es nicht sein.
    Mach schnell, so mach doch schnell, um Himmels willen!
    Siedend heiß fiel ihm ein, dass die Haustür nicht in Ordnung war. Achtete man nicht darauf, sie richtig zu schließen, blieb sie manchmal die ganze Nacht auf. Da konnte dann jeder ein und aus gehen, wie es ihm gefiel.
    Aber als Björn die Wohnung verlassen hatte, um Brötchen zu holen, war die Nachricht noch nicht da gewesen. Oder doch? Und die Haustür fest verschlossen.
    Und wenn die Warnung gar nichts mit den Morden zu tun hatte? Wenn sie nichts anderes war als ein harmloser Dummerjungenstreich?
    Nur waren die Kinder längst in der Schule. Um diese Zeit zogen die nicht umher und klebten den Leuten Zettel an die Tür.
    Björns Finger hatten gerade einen Schlüsselbart umfasst, als die Tür

Weitere Kostenlose Bücher