Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
mit dem Motorrad durch den Taunus zu fahren.
Schnell duschte sie und zog die weiße Motorradhose an.
Diesen Ledertraum hatte sie vor zwei Jahren in einem kleinen Laden in Mailand gefunden, sich sofort in die robuste, weiße Kombination aus Hose und Jacke verliebt, und ohne zu überlegen eine Unsumme dafür ausgegeben. Das war eine ihrer Schwächen, gegen die sie sich am wenigsten wehrte: Wenn ihr etwas wirklich gefiel, dann kaufte sie es, selbst wenn es völlig überteuert war.
Ihr fehlten zu ihrem Outfit noch die passenden Stiefel. Ihre jetzigen waren rotweiß, und das Rot störte sie dabei. Rein weiße Motorradstiefel hatte sie noch keine gefunden.
Nachdem sie komplett angekleidet war, gelangte sie vom Flur aus direkt in ihre Garage. Hier fanden sowohl ihr 207er Peugeot Cabriolet als auch ihre Kawasaki Z1000 Platz.
Bevor sie den Schlüssel ins Zündschloss steckte, streichelte sie über den perlmuttfarbenen Tank. Sie liebte dieses Motorrad, das nach dem alten Häuschen wahrscheinlich ihr teuerster Lustkauf gewesen war. Teurer als das Auto. Unvernünftig teuer. Neben der Speziallackierung hatte sie die Maschine von Hennes bei LKM tunen lassen, was ihr einen wunderbar laufenden Motor beschert hatte.
Sie setzte sich auf die mit weißem Leder bezogene Sitzbank und betätigte den Anlasser. Träge drehte der Motor einige Male, bevor die Maschine startete. Sie musste unbedingt die alte Batterie austauschen, bevor es noch kälter wurde. Letzten Winter hatte sie es versäumt, die Batterie auszubauen und zwischendurch zu laden. Seitdem zeigte sie Schwächen.
Ein Druck auf einen weiteren Knopf an den Armaturen des Lenkers öffnete das Garagentor. Wieder einmal war sie fasziniert von dem kleinen Luxus, mit dem sie sich selbst belohnt hatte. Es gab einfach Dinge, die ihr wichtig waren, und dafür tat sie, was eben nötig war.
Seit ihrer Kindheit hatte sie für nichts anderes gelebt als für ihre Unabhängigkeit. Auch wenn ihre geliebten Adoptiveltern gestorben waren, als sie zehn Jahre alt gewesen war, hatten sie ihr doch noch beibringen können, dass sie sich stets nur auf sich selbst verlassen durfte. Wenn sie nichts für sich tat, dann würden es andere auch nicht tun.
Als Sam danach ins Heim kam, erfuhr sie auf sehr direkte Weise, dass ihre Adoptiveltern Recht gehabt hatten. Sam war dem so liebenswerten Paar im Nachhinein unendlich dankbar dafür, dass sie sie von Anfang an zu einer sehr selbständigen Person erzogen hatten. Dass die Beiden sie bereits im Alter von fünf Jahren in einer Kampfsportschule angemeldet hatten, erwies sich im Heim als unersetzliche Hilfe. Sehr schnell waren anfängliche Diskussionen mit den hiesigen Rädelsführern zu ihren Gunsten entschieden gewesen, egal ob es sich dabei um männliche oder weibliche Jugendliche gehandelt hatte. Nach kurzer Zeit hatte Sam sich den allgemeinen Respekt, auch bei Älteren, regelrecht erkämpft. Enge Kontakte hatte sie im Heim nur wenige unterhalten, denn die meisten Kinder dort konnten mit dem Niveau, das die Keuschners ihr vorgelebt hatten und bei dem sie sich wohlgefühlt hatte, nicht mithalten. Sie hatte auch niemanden gebraucht, konnte selbst auf sich aufpassen, und entschied auch selbst, was gut für sie war. Sam war ein sehr selbstbewusstes Mädchen gewesen, und wollte soweit wie möglich von niemandem abhängig sein.
Sie hatte hart dafür gearbeitet und ihr Ziel erreicht – nun arbeitete sie dafür, diesen Zustand zu erhalten.
Das leichte Vibrieren der Maschine erweckte sie aus ihren Gedanken.
Mit Spannung erwartete sie, was der Tag brachte. Hörbar rastete der erste Gang ein. Mit sonorem Brummen verrichtete der große Vierzylinder seine Arbeit. Nachdem sie langsam aus der Garage gerollt war und erneut auf den Knopf der Fernbedienung gedrückt hatte, schloss sich das Tor wie von Geisterhand. Sam fuhr langsam die steile Auffahrt ihrer Garage hinauf und bog nach links auf die Hauptstraße ein. Ein paar Meter weiter fuhr sie an einem roten Jetta vorbei, der zu einem Besucher in der Nachbarschaft gehören musste, denn sie hatte den Wagen hier noch nie gesehen. Sie registrierte noch, wie das Auto sich in Bewegung setzte, als sie fast auf gleicher Höhe war, schenkte ihm jedoch keine weitere Beachtung.
Bald ließ sie ihren kleinen Ort Ehlhalten hinter sich. Sie musste nach Bad Camberg. Zwischen zehn und elf, so hatte die Frau gesagt, fuhr ihr Mann sonntags immer los. Sam hatte das Kennzeichen und wusste, dass der Fahrer einen schwarzgelben Helm
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