Spiel, bis du stirbst (Samantha Veselkova Krimi) (German Edition)
Mühe bereiten zu beweisen, dass sie in Notwehr gehandelt hatte, ganz egal, was dem Verbrecher bei der Auseinandersetzung passierte. Der Haken an der Sache war nur, dass er nicht da war.
Sam stellte fest, dass hier die Fenster nicht zerstört waren.
Okay, er befand sich also nicht mehr im oberen Stockwerk. Sam verließ den Trainingsraum und schlich die Treppe hinunter, die in der Mitte eine hundertachtzig Grad Wendung besaß. An der Ecke streckte sie zunächst vorsichtig den Kopf vor, um nach unten sehen zu können. Dann ließ sie ihren Körper folgen.
Wieder fraß sich der Gedanke an einen möglichen Revolver in ihr Bewusstsein. Mit einem leichten Ärger spürte sie, dass ihre Hände, die noch immer die Messer hielten, feucht waren.
Auf der Treppe würde sie ein leichtes Ziel abgeben. Langsam ging sie in die Hocke, um mehr von dem Raum unter ihr sehen zu können. Es war nichts Ungewöhnliches zu entdecken, aber auch von unten kam ein kalter Luftzug. Sam würde vermutlich noch weitere zerbrochene Scheiben zu beklagen haben. Vielleicht hatte er aber auch nur die Tür offen stehen lassen, als er geflüchtet war. Vorsichtig schlich sie die Treppe hinunter, stets die Wohnzimmertür im Auge behaltend. Die Zugänge zu den anderen Räumen waren geschlossen.
Ein Blick ins Wohnzimmer zeigte ihr, dass die Terrassentür offen stand und ebenfalls zerstört war. Eine Person, die sie dafür verantwortlich machen konnte, war nicht anwesend. Die Detektivin vermutete, dass er hier eingedrungen war.
Sie widerstand der Versuchung, nach weiteren Eisbotschaften zu suchen. Dafür hätte sie mit dem Rücken zur Tür gestanden, und noch hatte sie nicht das ganze Haus durchsucht. Plötzlich meinte sie, eine Bewegung hinter ihrem Rücken zu spüren. Ruckartig drehte sie sich wieder zum Flur, wobei sie mit einem zischenden Geräusch hektisch die Luft einsaugte. Die Augen wanderten flink von links nach rechts, die Treppe hinauf. Ihr Gefühl hatte sie getrogen: Da war niemand.
Sie ließ das Wohnzimmer hinter sich und lief zu ihrem Studio, welches links von ihr lag. Auch diese Tür war immer geschlossen. Zwar war das Studio stets gut beheizt, aber Besucher sollten nicht einfach einen Blick hineinwerfen können. Denjenigen, die nichts von ihrer dominanten Seite wussten, erzählte sie, dass sie aus ihrem ehemaligen Büro eine Abstellkammer gemacht hatte. Jetzt drückte sie mit dem Ellenbogen die Klinke herunter und stellte fest, dass die Tür noch immer verschlossen war. Der Schlüssel steckte zwar stets, aber da Sam verhindern wollte, dass noch einmal jemand, wie Jan kürzlich, versehentlich dort hinein ging, war die Tür seither abgeschlossen. Okay, dort war er also auch nicht.
Jetzt blieben nur noch die Gästetoilette und die Garage. Doch auch hier war keine Menschenseele. Irgendwie war Sam enttäuscht. Einerseits fürchtete sie sich vor einer Konfrontation, andererseits wünschte sie sich die Genugtuung, den Täter selbst bestrafen zu können.
Nachdem sie sicher war, dass außer ihr niemand im Haus war, verwandelte sich ihre Anspannung langsam in Ärger. Sie hatte eine kaputte Terrassentür und mehrere zerbrochene Fenster. Außerdem versuchte irgendein Idiot, ihr Angst zu machen. Dieser musste dazu auch noch verrückt sein, wie sonst hätte er das mit Jan anstellen können?
Plötzlich war wieder das unangenehme Gefühl in ihrer Magengegend, das Sam bereits gespürt hatte, als sie ihre Wohnung nach dem eventuell bewaffneten Mann abgesucht hatte. Wenn es ein Verrückter war, dann durfte sie nicht davon ausgehen, dass er mit normalen Mitteln kämpfte. Was, wenn er ihr eine Falle stellte? Wenn er ihr in einem unvorbereiteten Moment von hinten auflauerte und sie einfach hinterrücks erschlug? Oder wenn er nachts in ihr Haus eindrang, während sie schlief, und sich auf die wehrlose Frau im Bett stürzte? Die Gänsehaut kam diesmal langsamer als in Jans Wohnung, schleichend, wie eine Katze auf Samtpfoten. Doch die Pfoten schienen ihre Krallen ausgefahren zu haben. Krallen mit Widerhaken, die sich tief in Sams Gemüt gruben. Sie würde vorsichtig sein müssen.
Mit einem Mal fiel ihr wieder der aufgeschnittene Reifen ein. War es möglich, dass dies das erste Zeichen gewesen sein konnte, welches gegen sie gerichtet war? Das zweite Zeichen war in Form ihres toten Freundes gekommen. 6-2 stand an seiner Wand.
Nun hatte ihr jemand signalisiert, dass es kein Problem war, in ihr Haus einzudringen, am helllichten Tage und während sie zuhause war.
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