Spiel der Angst (German Edition)
vorgefunden. Entweder war sie nie dort gewesen oder man hatte sie wieder verschwinden lassen. Denn wie konnte sie sonst auf das Foto gekommen sein? Andererseits ließ sich mit Photoshop viel machen. Sie würden es wohl nie herausfinden.
Gemeinsam mit Ryan saß Emily nun in der Bar und versuchte, ein wenig zur Ruhe zu kommen. Das eigentümlich orange Leuchten nahm man schon von Weitem wahr, wenn man sich dem Campus von der Amsterdam Avenue kommend näherte. Dieses orange Licht bildete einen wohltuenden Kontrast zu dem Blauschwarz der angehenden Spätsommernacht. Ein Tisch am Fenster wurde gerade frei. Gespräche vom Nebentisch, an dem sich zwei Studenten unterhielten, schwappten herüber.
Die Bedienung kam an den Tisch, ein etwa fünfundzwanzigjähriges Mädchen mit orange gefärbten Haaren, ähnlich orange wie das Licht der Bar. Man sah ihr an, dass sie zur »Eigentlich«-Fraktion in New York gehörte. Eigentlich studiere ich Kunstgeschichte und Tanz und bin zu Höherem berufen. Hier kellnern mache ich nur des Geldes wegen; also erwartet nicht zu viel Service.
»Habt ihr euch schon entschieden?«, fragte sie Ryan und Emily.
»Ja, haben wir«, sagte Ryan. Sie bestellten zwei Colas. Die Bedienung verschwand.
Die beiden sahen sich an und schwiegen.
»Ich weiß nicht recht, was ich von alldem halten soll«, begann Emily schließlich. »Der Typ ist noch am Leben, er hat uns alle zum Narren gehalten. Und die Frage ist, was am neunten September wieder auf mich oder auf uns zukommt. Du weißt schon. An meinem Geburtstag.«
Ryan blickte aus dem Fenster. »Das Spiel des Lebens«, sagte er. »Und wie nennt er es jetzt? Spiel der Angst ?«
Emily nahm Ryans Hände. »Ich hab über etwas nachgedacht und bin mir noch nicht ganz sicher, was ich machen soll.«
»Was denn?«, fragte Ryan.
Die Bedienung mit den orangenen Haaren kam und brachte die Getränke.
»Julia. Ich fände gut …«, Emily zögerte kurz, »na ja, ich fände gut, wenn …«
Ryan sah sie aufmerksam an. »Was denn?«
»Ich fände gut, wenn Julia uns bei dieser ganzen Sache hilft. Ich habe erst vorgehabt, sie aus allem rauszuhalten, sie hat ja schließlich in London viel gelitten. Aber …« Sie suchte nach Worten.
»Sie ist halt deine beste Freundin«, ergänzte Ryan.
Emily nickte und lächelte. Schön, wenn man sich ohne Worte verstand.
»Ich würde sie gern anrufen und fragen, ob sie hierher kommt und das alles mit uns gemeinsam durchsteht«, fügte sie hinzu.
Er zuckte wieder die Schultern. »Tja, dann mach das doch. Warum nicht?«
»Du hättest nichts dagegen?«, wollte sie wissen
»Warum sollte ich?«
Sie umfasste seine Hände jetzt fester. »Ryan, ich bin so glücklich mit dir. Ich wollte nicht, dass du den Eindruck hast, du seist unwichtig für mich und darum würde ich jetzt meine beste Freundin herholen, damit –«
»Schon verstanden«, sagte Ryan und küsste sie über den Tisch. »Manches braucht man halt doppelt.«
»Du bist süß. Es gibt da eine Vorwahl, mit der man günstiger nach England telefonieren kann.« Emily wühlte in ihrem Portemonnaie und ihrer Handtasche herum. »Wo ist denn diese Karte? Dann rufe ich sie gleich an. Ich weiß ja auch gar nicht, ob sie überhaupt kann und will und ob sie das Geld für den Flug hat. Sonst frage ich meinen Daddy, ob … obwohl, lieber nicht. Dann kommt gleich Mum, und ich muss wieder nach Hause.« Sie hatte ein kleines Kärtchen in der Hand und wählte eine Nummer.
Nach sechsmal klingeln meldete sich Julia. Und Emily fiel erst in diesem Moment ein, dass es dort früh am Morgen war.
Sie wechselten ein paar Worte, in denen Julia von völlig verschlafen zu hundertprozentig wach mutierte.
Nach sechs Minuten war das Gespräch beendet.
»Sie ist dabei«, teilte Emily Ryan mit. » Die Psychopathenjagd ist eröffnet, hat sie gesagt. Wäre doch gelacht, wenn wir diesen blöden Psycho nicht zusammen unschädlich machen könnten.«
»Werden wir«, stimmte Ryan zu. » Three is company , wie man in Irland sagt.«
»Zu dritt ist man eine Firma?«
Ryan nickte. »So ist es!«
Beide schwiegen.
»Irgendwann«, sagte Ryan nach einer Weile, »werden auch wir zu dritt sein. Oder noch mehr. Wir werden vielleicht zusammen ein Haus haben und Kinder und nur noch kopfschüttelnd an diese komische Zeit zurückdenken.«
»Das heißt, wir heiraten irgendwann?«, fragte Emily.
»Wahrscheinlich«, sagte Ryan und setzte wieder sein verschmitztes Lächeln auf, »würden alle sagen, es sei viel zu früh, um
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