Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiel der Angst (German Edition)

Spiel der Angst (German Edition)

Titel: Spiel der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
Vom Netzwerk:
immer du da bist«, hatte sie ihm gestern gesagt, nachdem er heldenhaft von dem Citigroup Building heruntergekommen war. Sie hatten es glücklicherweise geschafft, das Weite zu suchen, ohne von irgendjemandem mit dem Feueralarm in Verbindung gebracht zu werden. Das war zwar nicht ganz legal, aber wie legal war es bitteschön, wenn ein Psychopath einen jagt und zu absurden Aufgaben zwingt?
    Ich fühle mich sicher, wann immer du da bist.
    Sie hatte Angst gehabt, dass Ryan ihr diese Aussage als Schwäche auslegen könnte, doch er hatte nur gelächelt, sie in den Arm genommen und geküsst.
    Es war so schön mit Ryan. War es zu schön ? War vielleicht schon der Höhepunkt erreicht und ging es jetzt nur noch abwärts? Manchmal hatte sie diese Gedanken, und sie hasste sie.
    »Wenn alles gut läuft«, hatte ihr Dad gesagt, »dann muss man umso mehr aufpassen. Denn das ist der Moment, wo es sehr schnell schiefgehen kann. Manifestationen des Glücks«, hatte ihr Dad das genannt. »Wenn alles gut aussah, wenn die äußeren Erscheinungen davon sprachen, dass es perfekt war, dann stand eigentlich schon der Niedergang vor der Tür.«
    Ihr Vater hatte ihr einmal eine Geschichte vom Licht eines Sternes erzählt. »Es ist wie das Licht eines fernen Sternes, das ganz hell zu uns strahlt. Aber was wir nicht wissen, ist, dass das Licht sehr lange braucht, um zu uns zu kommen. Und dass der Stern vielleicht schon erloschen ist, wenn sein Licht bei uns am hellsten strahlt.«
    Emily war sehr traurig gewesen, als ihr Vater ihr das erzählt hatte. Und ihre Mutter hatte ihren Dad angeraunzt, was ihm denn einfiel, einem kleinen Kind so etwas Trauriges zu erzählen. Doch die Geschichte war bei Emily hängen geblieben.
    Das Licht des Sternes strahlt dann am hellsten, wenn der Stern schon erloschen ist.
    Die äußeren Erscheinungen, dachte Emily. Oft weiß man schon lange, dass etwas zu Ende geht, bevor es wirklich zu Ende ist. Vielleicht sollte es Emily einfach egal sein, vielleicht würden noch andere Männer und andere Beziehungen kommen, warum war ihr ausgerechnet Ryan so wichtig? Doch es gab Zeiten, in denen einem nichts egal sein durfte. Es würden Situationen kommen, die nur schwer zu umschiffen waren, denen man sich entgegenstellen musste, anstatt ihnen auszuweichen. Die zwar langfristig notwendig waren, aber kurzfristig nur Beschwerden und Mühen mit sich brachten, wie sie der Alltag immer bereithält. Und in solchen Situationen war Ryan immer dagewesen. Und sie hoffte, dass er es auch in Zukunft sein würde.
    Ob sie zu spießig war? Sie war immer von ihren Eltern behütet worden, und darum wünschte sie sich nichts sehnlicher als eine eigene Familie. Irgendwann ein geregeltes Leben mit Kindern, die im Garten mit dem Vater zusammen ein Baumhaus errichten, und einem Hund, der einen treuherzig anblickt, wenn man vom Einkaufen durch die Tür kommt. Sicherheit, Familie, Ordnung – all das waren Dinge, für die man kämpfen musste, die Mühe und Arbeit machten.
    Ryan war immer da gewesen. Seit dem ersten Tag, als sie sich am King’s College getroffen hatten und er für alle gekocht hatte bis zu der Nacht, als er sie getröstet und sie bei ihm geschlafen hatte. Und er verfügte auch noch über eine Gabe, die nur die wenigsten besaßen. Er brachte sie zum Lachen.
    Oft sind die äußeren Erscheinungen schon lange da, bevor sie erkannt und benannt werden.
    Mit oder ohne dich …
    Das Lied der Band U2 hallte wie eine flüchtige Erinnerung in ihrem Kopf.
    Mit dir, dachte sie. Auf jeden Fall.
    Dann blickte sie auf den Stundenplan.
    Und war wieder in der Realität.
    Sie hatte gleich ein Seminar in Classical Studies.
    Dann würde sie zum Flughafen fahren und Julia abholen.
    Julia, die tatsächlich nach New York kam.
    Sie war ihr dankbar, wie selten zuvor.

33
    Diesmal war sie mit der Bahn zum Flughafen gefahren. Züge fuhren von der Grand Central Station im Stadtkern von New York direkt zum Flughafen. Zurück würden sie mit dem Taxi fahren, da Julia auch Gepäck dabeihatte.
    Ryan hatte sie allerdings immer noch nicht erreicht, was ihr ein unruhiges Gefühl versetzte. Sie war noch nicht in dem Stadium, wo sie sich Sorgen machte, aber sie war in jedem Fall in dem Zustand, wo sie allmählich sauer wurde auf Ryan. Hatte der Irre ihr nicht am Freitagabend eine Heidenangst eingejagt, als Ryan plötzlich weg war? Wie konnte er sich dann nicht bei ihr melden?
    Wenigstens Julia war ganz die Alte. Sie trug tatsächlich schon wieder – oder etwa noch immer

Weitere Kostenlose Bücher