Spiel der Angst (German Edition)
diesen seltsamen Pfeilern gefunden.«
Sie schauten nach vorn und sahen die riesige Silhouette, die sich gigantisch hoch in den Himmel erhob. Das aluminiumverkleidete Citigroup Center ruhte auf vier neungeschossigen Pfeilern und erstreckte sich mit seiner matten Aluminiumfassade fast dreihundert Meter in die Höhe. Fenster und Aluminium wechselten sich auf der Fassade ab, sodass das Gebäude durch die breiten Streifen kleiner wirkte, als es war.
Breite Streifen machen dick, dachte Emily. Es war gigantisch. Schon von Weitem stach das Schrägdach des Wolkenkratzers aus der Skyline von New York heraus. Es sah so aus, als sollten dort mal Solarzellen installiert werden. Oder vielleicht sündhaft teure Eigentumswohnungen. Oder vielleicht gab es dort auch gar nichts. Emily erinnerte sich. Sie hatte das Gebäude schon mehrfach gesehen, zum allerersten Mal, als sie mit Ryan vom Flughafen mit dem Taxi in die Innenstadt gefahren war.
Sie blickte interessiert aus dem Taxifenster auf die Pfeiler. Die Stützpfeiler waren tatsächlich innen und nicht außen. Und sie fragte sich, wie so etwas überhaupt halten konnte.
Der Koloss auf tönernen Füßen.
Aber es hielt. Zumindest noch.
Sie zahlten den Fahrer und stiegen aus.
»Also«, fragte Emily. »Da wimmelt es nur so von Leuten vom Sicherheitsdienst. Eine Idee, wie wir da reinkommen?«
»Vielleicht fragen wir einfach, ob wir uns das von oben anschauen können?«, meinte Lisa.
Noch zwölf Minuten.
»Klappt nicht«, sagte Ryan. »Das ist keine öffentliche Plattform. Vielleicht schleichen wir uns einfach an den Wachen vorbei?«
Jetzt schüttelte Lisa den Kopf. »Das klappt vielleicht bei James Bond, aber nicht bei uns.«
Emily schaute auf einen Lastwagen, der neben dem Gebäude parkte. Facility Management war darauf zu lesen. Die Tür stand offen.
»Wartet mal einen Moment.« Sie ging zu dem Lastwagen und lugte hinein. Im Inneren erkannte sie Reinigungsgeräte. Und Uniformen. Für Reinigungskräfte.
Sie winkte Ryan heran.
»Komm mal her.«
»Was ist?«
»Nun komm schon.«
Sie standen vor dem offenen Tor des Lastwagens.
»Du musst dir eine von diesen Uniformen anziehen«, forderte Emily Ryan auf.
»Wieso ich?«, entgegnete Ryan.
»Weil du dich als Facility Manager ausgeben musst, der oben was reparieren soll. Darum hast du auch diese Taschenlampe dabei«, erklärte Emily.
Noch elf Minuten.
Ryan verzog das Gesicht. »Warum verkleidest du dich dann nicht als Putzfrau und gehst mit der gleichen Masche rein?«
»Weil Putzfrauen keine Taschenlampen tragen, darum!«
Ryans Abwehr bröckelte. »Okay, und was sage ich den Typen vom Sicherheitsdienst?«
Emily versuchte, sich an eine Szene zu erinnern, von der ihr Vater ihr schon ein paarmal erzählt hatte. In der Bank, wo er arbeitete, hatten sie eine Bereitschaftstruppe, die vierundzwanzig Stunden am Tag abrufbereit war, wenn irgendwo die Heizung nicht ging, Klimaanlagen ausfielen oder irgendwelche Drucker streikten. Zeit war Geld im Banking, und da wollte man sich nicht von unzuverlässigen Maschinen abhängig machen.
Das würde hier nicht anders sein. Und externe Fremdfirmen hatten sowieso meist keine Ahnung, was drinnen passierte.
Noch zehn Minuten.
Nach einer Minute war Ryan umgezogen. Der Mann, der den Lieferwagen fuhr, war zum Glück noch nicht zurückgekommen.
Noch neun Minuten.
Sie besprachen sich kurz.
Lisa würde den LKW-Fahrer, so lange es ging, aufhalten, falls er ins Haus wollte, damit der Schwindel nicht aufflog. Emily würde im Foyer für Ablenkung sorgen.
Emily und Ryan gingen hinein.
Im Inneren des Foyers waren zwei Sicherheitskräfte, die an ihren Pulten saßen, in Zeitungen blätterten und sich sichtlich langweilten.
Emily legte los. »Sir, ich habe meine Geldbörse verloren und mein Handy«, schluchzte sie. »Jetzt kann ich nicht einmal mehr meine Eltern anrufen, und ich weiß auch überhaupt nicht, wo sie sind.«
»Kommen Sie, Miss«, sagte der Mann gutmütig, »da wird es schon eine Lösung geben.«
»Nein, ich bin so verzweifelt, ich weiß überhaupt nicht, was ich tun soll«, jammerte Emily.
Noch sieben Minuten.
Das war die Taktik. Unruhe stiften. Das, was die beiden Sicherheitsleute am meisten wollten, war Ruhe.
Sie hörte, wie Ryan sich an den zweiten wandte.
»Abend, Sir, Chilton mein Name, Arbor Facility Management.« Der Security Mann blickte von seinem Kreuzworträtsel auf. »Ein Mister Cooper hat mich angerufen, er arbeitet im Trading, und sein Terminal funktioniert nicht.
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