Spiel der Angst (German Edition)
Feueralarmausgelöst …«
Sie blickte nach oben, hielt ihr Handy in den schweißnassen Händen.
Dann sah sie das Licht.
Weit oben.
Es leuchtete wie ein Strahl in den Nachthimmel.
Einmal.
Zweimal.
Dreimal.
Dann erlosch es wieder.
Ihr Handy piepte wieder.
Doch es war nicht Ryan.
Eine unbekannte Nummer.
G UTGEMACHT, stand dort. J ULIAS M ASCHINEBLEIBTBISZUR L ANDUNGOBEN .
Sie ließ das Handy sinken.
Und brach vor Erleichterung in Tränen aus.
31
Er schaute vom gegenüberliegenden Gebäude auf das Chaos, das die drei angerichtet hatten. Banker in weißen Hemden, die in dieser Nacht noch gearbeitet hatten, liefen nacheinander die Treppen hinunter, und man sah ihnen an, dass sie wohl nicht mit einem richtigen Alarm, sondern nur mit einem Probealarm oder ähnlichem Firlefanz rechneten.
Und einer von ihnen war Ryan, der, jetzt wieder in normaler Kleidung, eilig an der Menge vorbeilief und sich extra duckte, als am Ausgang ein Angestellter vom Sicherheitsdienst in seine Richtung schaute.
Das Citigroup Building, dachte er, der Koloss auf tönernen Füßen.
Bei seiner Fertigstellung 1978 war der ungewöhnliche Bau eine Sensation. Denn in eine Ecke war tatsächlich die St. Peters Lutheran Church integriert, in einem architektonisch eigenständigen Granitbau. Es war einer der wenigen Orte, wo sich zwei Gebäude ein Grundstück teilten, was nur ging, weil ein Gebäude erst in zwanzig Meter Höhe richtig zum Gebäude wurde.
Was selbst viele New Yorker nicht wussten, war, dass die Pfeiler vor der Fertigstellung eilig verstärkt werden mussten, als ein Hurrikan Kurs auf Manhattan nahm. Am Ende ging aber alles gut.
Er erhob sich von seinem Schreibtisch, streckte sich und setzte sich wieder. Es war pure Ironie, dass sein Büro genau gegenüber des Citigroup Center war. In einem Hochhaus, das nur zwanzig Meter entfernt von dem Koloss stand.
Junger Schnösel. So hatten sie ihn in der Bank genannt. Bis er ihnen gezeigt hatte, dass er bei jeder Marktlage Geld verdienen konnte. Auch wenn er ihnen nicht gezeigt hatte, wie er das machte. Und wofür er das Geld brauchte.
Er grinste. Junger Schnösel.
Schon oft war er unterschätzt worden. Und die meisten hatten dafür bezahlt. Viele sogar mit ihrem Leben.
Sein Blick glitt von den mannshohen Glasscheiben seines Büros, durch die er die Skyline sah, zu der kleinen, rechteckigen Bronzeplastik, die auf seinem Schreibtisch stand. Sie zeigte den Gott Prometheus aus der griechischen Mythologie – der Titan, der den Menschen das Feuer gebracht hatte und dafür von Zeus bestraft worden war. Statt eines Namens stand auf dem Sockel ein Zitat von Oswald Spengler: Es gibt keinen Sieg ohne Feinde.
Er hatte es, als er nach New York gekommen war, extra anfertigen lassen.
Es gibt keinen Sieg ohne Feinde. Das war schon immer so etwas wie sein inoffizielles Motto gewesen.
Das Spiel ging weiter. Es gibt keinen Sieg ohne Feinde. In London hatte er verloren. Hier in New York würde er gewinnen.
Das Jahr war um.
Und die Zeit war gekommen.
Der Countdown lief.
Er griff zum Telefon, hob den Hörer und ging mit dem Hörer in der Hand unschlüssig in seinem Büro auf und ab – wie ein Tiger an der Kette.
Dann wählte er die Nummer.
Bisher hatte er Emily nur ein bisschen geärgert.
Jetzt war es an der Zeit, ihr einmal richtig Angst einzujagen.
Ryan, der irische Prinz, dachte er. Er hatte seine Rolle sehr gut gespielt.
Und Emily hatte ihn dafür bewundert.
Heute war niemandem etwas passiert, auch wenn dies Teil seiner Drohung gewesen war, falls sie versagen sollten.
Heute nicht.
Aber vielleicht morgen.
Emily liebte Ryan.
Umso trauriger würde sie sein, wenn er vielleicht demnächst wirklich verschwinden würde.
32
Emily war gegen acht Uhr am nächsten Morgen aus einem bleiernen Schlaf aufgewacht. Und hatte gemerkt, dass etwas fehlte.
Ryan!
Sie war sofort hellwach und geriet in Panik.
Bis sie das Post-it sah, das Ryan an dem Stuhl befestigt hatte, der neben ihrem Bett stand.
Muss heute früh in die Sprechstunde, der Prof kann nicht später. 07:30 Uhr, sonst muss ich zwei Wochen warten. Wollte dich nicht wecken. Bis nachher zum Mittagessen. Kuss, Ryan
Sie setzte sich auf und atmete tief durch.
Er wollte sie bloß nicht wecken. Emily vermisste Ryan schon jetzt, obwohl er erst vor kurzer Zeit gegangen war. In einer Welt, die immer unsicherer wurde, war er die Schulter, an die sie sich lehnen konnte, war er derjenige, der ihr Sicherheit gab.
»Ich fühle mich sicher, wann
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