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Spiel der Angst (German Edition)

Spiel der Angst (German Edition)

Titel: Spiel der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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Google gäbe?«, fragte Emily.
    »Dann hätten wir Pech«, sagte Lisa. »Und Jonathan Glück.«
    Lisa klickte durch ihren Laptop. »Es gibt ein Gemälde«, sagte sie dann. »Das Gastmahl des Belsazar. Von 1820.«
    »Von wem ist es?«
    »Von John Martin.«
    John Martin.
    Emily zuckte zusammen wie vom Blitz getroffen.
    »John Martin?«, fragte sie. »Der Typ hat mir eine Mail geschickt!«
    »John Martin mailt dir?«, fragte Lisa. »Der Künstler? Der ist doch schon längst tot.«
    Emily schüttelte den Kopf. »Na, der selbst sicher nicht. Aber der Absender hieß so. Was steht denn da bei Wikipedia?«
    Lisa flog über den Text. »Hier steht nichts weiter.« Sie schaute Emily und Julia an. »Vielleicht schauen wir mal bei den Kunstbänden?«
    Sie rannten in den Bibliotheksteil für bildende Kunst. Zum Glück musste Lisa nicht lange suchen.
    Noch elf Minuten.
    Das Bild zeigte das riesige Festmahl des Königs und die Worte, die an die Wand geworfen wurden, wie mit einem frühzeitlichen Projektor. Vorne stand der reichgedeckte Tisch des Königs, die Höflinge um ihn versammelt. Blitze zuckten am Himmel.
    »Harte Kost«, sagte Emily.
    »Mal eine ganz praktische Anmerkung«, gab Julia zurück. »Kann es sein, dass wir also nicht zu dem Festmahl, sondern zu dem Gemälde gehen sollen?«
    »Zum Festmahl geht ja wohl schlecht«, sagte Emily. »Es ist ja alles von Gott vernichtet worden.«
    »Danke«, erwiderte Julia und verbeugte sich halb. »Das weiß ich auch. Dann noch eine praktische Frage: Wo hängt denn dieses Gemälde?«
    Lisa überflog den Text. »New Haven, Yale Center of British Art.«
    »Und wo ist das?«
    »In Connecticut.«
    »Da sollen wir doch nicht etwa jetzt hin?« Emily war kurz vor einem Herzinfarkt.
    Julia zuckte die Schultern. »Ist immerhin noch an der Ostküste. Schlimmer wäre es, wenn es in Los Angeles hängen würde.«
    Emily sah, wie es in Lisa arbeitete. »Könnte es nicht sein, dass …«
    »Was?«
    »Lass uns mal schnell dort drüben zu dem Computer gehen«, sagte Lisa.
    »Was hast du vor?«, wollte Emily wissen.
    »Das seht ihr gleich.«
    Sie rannten zu einem der Computerterminals.
    Lisa tippte die Worte John Martin Belsazar New York in den Rechner.
    Es öffnete sich – die Website des Metropolitan Museum of Art.
    In New York!
    »Bingo!«, sagte Lisa. »Da ist eine Ausstellung mit dem Titel Die dunkle Romantik im Metropolitan . Geht noch bis Dezember. Und dieses Bild von John Martin ist einer der Höhepunkte. Und eine Leihgabe aus New Haven.«
    Julia stemmte die Hände in die Hüften. »Na dann mal los! Ab ins Metropolitan! Da wollte ich schon immer mal hin.«
    Emily schaute auf die Uhr.
    Noch zehn Minuten.

48
    Sie eilten die Stufen zum Eingang des Museums hinauf. Das Metropolitan Museum of Art, oder nur »Metropolitan« genannt, lag an der Hausnummer 1000 der 5th Avenue und schmiegte sich im Westen direkt an den Central Park, die grüne Lunge New Yorks. Die Upper East Site, wo das Metropolitan stand, war das Viertel der Museen, die in ehemaligen Stadtpalästen der Industriebarone untergebracht waren, der Carnegies und der Mellons und Vanderbilts. Das Metropolitan selbst beherbergte die wohl umfangreichste Kunstsammlung der westlichen Welt und wurde 1870 in Konkurrenz zum Louvre gegründet. Die vier riesigen Säulenportale am Haupteingang ließen einen glauben, man würde sich eher einer Kopie eines babylonischen Palastes nähern als einem Gebäude aus dem neunzehnten Jahrhundert. Aber vielleicht war das auch beabsichtigt.
    Sie drängelten sich mit viel Ausreden und weiblichem Charme an der Schlange an der Kasse vorbei. Die dunkle Romantik war eine Sonderausstellung und kostete regulär fünfzehn Dollar und für Studenten sieben Dollar, was Julia zu latenten Beschimpfungen Richtung »Abzocke« und »Verhindern von Kulturgenuss« motivierte. Lisa war vorher schon Richtung Bibliothek gegangen. Sie hatte die kostengünstigere Alternative gewählt.
    Schließlich stand Emily vor dem Bild.
    Doch was jetzt?
    Gab es einen Hinweis auf dem Bild, den sie finden musste?
    Sie stand dort ebenso ratlos wie der König Belsazar, der seinen eigenen Untergang nicht kommen sah, während ihr Blick immer tiefer in das Bild eindrang.
    Im grellen Licht des von Gott auf die Wand geschriebenen »Mene, Mene, Tekel, U-Parsin«, das die betrunkenen Gäste des Königs in Furcht versetzte, erstreckte sich wie eine Bühne eine gigantische Hofanlage, hinter der sich die Hängenden Gärten Babylons – eines der Weltwunder –,

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